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Samstag, 01.08.2015

Alumni

Prof. Klaus Sack: Vor 50 Jahren Lübecks erster Promovend

Prof. Dr. Klaus Sack (links) mit Altrektor Prof. Dr. Alfred Trautwein beim Interviewtermin

„Die Doktorarbeit war für mich ein erfreulicher Einstieg in wissenschaftliches Arbeiten und machte Lust, dabei zu bleiben.“

Das sagt Prof. Dr. Klaus Sack, der erste Lübecker Promovend, heute im Rückblick auf seine Dissertation von 1965. Altrektor Prof. Dr. Alfred X. Trautwein und Linda Brüheim von der Ehemaligenvereinigung Alumni Lübeck besuchten ihn und führten das folgende Interview, in dem Prof. Sack aus seiner Studienzeit und über den späteren Lebensweg erzählt.

Lieber Herr Professor Sack, bis heute wohnen Sie in Lübeck nahe am Campus. Lassen Sie uns einen Zeitsprung um 50 Jahre zurück machen: Was hat Sie als Doktorand hierher gezogen?

Ich bin Lübecker. Meine Frau und ich sind hier zur Schule gegangen, auf das Katharineum. Auch mein Vater war dort Schüler; mein Großonkel und mein Schwiegervater waren dort Lehrer. Herr Dr. Schönbrunn, unser damaliger Rektor, genießt heute noch hohes Ansehen. Der Unterricht fand damals teilweise in Nebengebäuden in der Königsstraße statt.

Meine Frau begann ein Mathematikstudium, ich habe Medizin in Marburg und Kiel studiert. 1962 war ich Famulus an der Prosektur des Krankenhauses Süd in Lübeck. Dort entstand der Wunsch, über ein pathologisch-anatomisches Thema zu promovieren. Prof. Ernst Jeckeln verabredete mit mir eine Zusammenarbeit, und so begann meine medizinische Tätigkeit nach dem Staatsexamen 1964 in der Lübecker Pathologie. Nach einem Jahr wurde ich dann promoviert.

Womit beschäftigten Sie sich in Ihrer Doktorarbeit?

Das Thema lautete „Über lokale Heteroproteinose der Harnblasenschleimhaut und ihre Beziehungen zur Malakoplakie“.

Bitte erklären Sie das.

Bei Heteroproteinen handelt es sich um verschiedene Fremdeiweiße, die bei unspezifischen Entzündungen der Harnblase in mehrkernigen Zellen (Riesenzellen) gespeichert werden. Malakoplakie ist ein seltenes spezifisches Granulationsgewebe bei Harnwegsinfektionen. Ich konnte anhand histologischer und histochemischer Kriterien nachweisen, dass sich diese Entzündungszustände klar unterscheiden lassen. Das war eine überwiegend lichtmikroskopische Tätigkeit. Sie machte mir Freude und Neugier auf weitere Wissenschaft.

Sie waren der erste Doktorand Lübecks – wie wurde Ihre Promotion gefeiert?

Ich wurde im Dekanat in Haus 21 – wo heute der neue Parkplatz entsteht – vom Dekan Prof. von Massenbach und Prof. Jeckeln mündlich geprüft. Das war im Juni 1965. Es gab ein Foto in den Lübecker Zeitungen. Keine Party, wie heute, mit Doktorhut. Es ging formell zu, mit Anzug und Schlips. Ich zog dafür  noch einmal meinen Abitursanzug an. Danach wurde ich von meiner Familie begrüßt und wir tranken Kaffee.

Wie ging es anschließend weiter?

Während der Medizinalassistentenzeit habe ich ein halbes Jahr bei Prof. Arnold Kleinschmidt in der Medizinischen Klinik auf der Frauenaufnahmestation gearbeitet. Nach weiteren zwei Jahren in der Pathologie, in denen ich vor allem bei Dr. Friedrich Wegener lernte und anfing, wissenschaftlich zu arbeiten, haben mich die eindrucksvollen Ärzte im Team von Prof. Kleinschmidt, Dres. Hubert Feiereis und Rudolf Commichau, auf der anderen Seite des Sektionstisches überzeugt, dass ich in ihrer Klinik Internist werden sollte. Die insgesamt dreijährige Ausbildung im Pathologischen Institut, in dem damals mehr als 1000 Obduktionen jährlich ausgeführt wurden, habe ich während meiner späteren klinischen Tätigkeit stets für unverzichtbar gehalten. Auch in Lehre und Forschung war Morphologie dann oft eine wichtige Komponente.

1968 wurde ich Mitarbeiter von Prof. Kleinschmidt und arbeitete auf der Station 8, wo seit zwei Jahren unter der Leitung von Dr. Hansjürgen Ludwig dialysiert wurde. Ihm folgte ich in dieser nephrologischen Funktion ab 1972.

Was waren aus Ihrer Sicht als Kliniker wichtige Ereignisse in der Hochschule?

Erst 1979 bezogen wir eine Dialysestation mit bedarfsgerechter Ausstattung, um die ich mich viele Jahre bemüht hatte. 1980 wurde in Lübeck erstmals eine Niere transplantiert in Zusammenarbeit mit der Chirurgischen Klinik Prof. Schildbergs; seitdem ist die Transplantationsmedizin auch hier unverzichtbar in der nephrologischen Therapie. Und schließlich 1990 der Umzug aus den für die Kranken schon seit Jahrzehnten unzumutbaren Baracken in das Zentralklinikum.

Worum ging es in Ihrer Forschung?

Die wissenschaftlichen Fragen entstanden am Krankenbett. Vor allem ging es darum, wie man am besten unspezifische Infektionen, insbesondere Harnwegsinfektionen, behandelt. Damals produzierte die Pharmaindustrie jährlich mehrere Antibiotika. Die Fragen waren, unter anderem: Welches Antibiotikum wirkt besser? Welches wird besser vertragen? In diesem Zusammenhang entwickelte die Arbeitsgruppe, der ich mich anschloss, unter der Leitung von R. Commichau und W. Henkel (Mikrobiologie) tierexperimentelle Modelle an der Ratte, mit denen die Wirksamkeit und die Nierenverträglichkeit der Antibiotika vergleichend geprüft werden konnten.  

Wie sahen Sie die Lehre im Rahmen Ihrer Tätigkeiten?

Man fing ja an zu lehren, ohne gelernt zu haben, wie man lehrt. Keine angenehme Lage! Glücklicherweise hatte ich in den Schulen, Universitäten und Kliniken stets einige wirkmächtige Lehrer, Vorbilder sozusagen, an deren Art zu lehren ich mich orientiert habe.

Wichtig für Lehrinhalte war auch die Erfahrung der eigenen Wissenslücken zu Beginn meiner klinischen Tätigkeit, besonders in der Arzneimitteltherapie, deren Lehre im Studium nur eine marginale Rolle gespielt hatte. Hier war viel nachzuholen. Und später habe ich dann, zusammen mit Pharmakologen, hier in Lübeck mehr als 40 Semester „Pharmakotherapie“ und „Klinik der Arzneimittelnebenwirkungen“ gelesen.

Welche Erinnerungen haben Sie an die Stadt Lübeck zu dieser Zeit? Wo haben Sie Ihren Ausgleich zur Arbeit gefunden?

Im Juni 1964 haben meine Frau und ich geheiratet. Wir haben damals vier Jahre im ersten Stock in der Lübecker Synagoge (neben dem St. Annen-Museum) gewohnt – ohne religiösen Hintergrund. Es war schön ruhig dort. Und in den 70er Jahren wurden unsere Kinder geboren, zwei Töchter. Klinik, Lehre, Forschung und Tätigkeiten in der Selbstverwaltung (Promotions-, Ethik-, Arzneimittelkommission) füllten den Tag, hinzu kamen Nachtdienste. Aber ich habe mich doch so langsam durch unsere Bibliothek lesen können. Anfangs hatten meine Frau und ich uns gegenseitig vorgelesen. Später sind wir dazu übergegangen, uns abends zu erzählen, was wir gelesen hatten. Theaterplätze hatten wir meist abonniert.

Was hat Sie während Ihrer Tätigkeit besonders erfreut?

Es waren eher die kleinen, flüchtigen Dinge: Eine schwierige Diagnose richtig gestellt haben, einen Schwerkranken erfolgreich behandelt haben, eine gelungene Vorlesung, eine gut geschriebene Publikation, eine wichtige Entscheidung durchsetzen in den Kommissionen – solche Dinge.

Lieber Herr Professor Sack, wir danken für das Gespräch und wünschen Ihnen alles Gute, eine ruhige Adventszeit und ein familienfreudiges Weihnachten.

Ich danke ebenfalls und wünsche alles Gute. Es freut mich sehr, dass Sie mir als Gastgeschenk den Jubiläumsband „50 Jahre Universität zu Lübeck“ mitgebracht haben. Herzlichen Dank.

(Das Interview wurde am 2. Dezember 2014 geführt.)

Prof. Dr. med. Klaus Sack

1936 geboren in Lübeck-Travemünde
1956 Abitur am Katharineum
Medizinstudium in Marburg und Kiel
1965 Promotion zum Dr. med. an der Medizinischen Akademie zu Lübeck
1975 Habilitation für Innere Medizin
1979 Professor für Innere Medizin
Stellvertretender Direktor der Medizinischen Klinik I und Leiter der Sektion Nephrologie bis 1998

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Dr. Klaus Sack 1965 (Mitte) mit Doktorvater Prof. Dr. Ernst Jeckeln (links) und Dekan Prof. Dr. Wichard Freiherr von Massenbach (Foto: Angela Kroeker, Lübecker Freie Presse vom 5. Juni 1965)

Lübecker Morgen vom 16. Juni 1965