Per neuem Hochschulgesetz war 1973 das Kapitel der "Medizinischen Akademie" abgeschlossen. "Lübeck ist jetzt Hochschulstadt" lautete die Überschrift der Lübecker Nachrichten am 9. Mai auf Seite 1
Neun Jahre lang, seit der Gründung 1964, war die Medizinische Akademie hochschulrechtlich die II. Medizinische Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel gewesen. In Lübeck lag die Leitung folglich bei einem Dekan, zu Sitzungen des Akademischen Senats fuhr man immer in die Landeshauptstadt.
All dies war mit dem am 2. Mai 1973 in Kraft getretenen neuen schleswig-holsteinischen Hochschulgesetz nun anders. Als selbständige wissenschaftliche Hochschule hatte die Medizinische Hochschule Lübeck das eigene Promotions- und Habilitationsrecht. Die Leitung würde künftig ein Rektor ausüben.
Für den amtierenden Dekan Prof. Dr. Eberhard Harbers war bereits der Nachfolger gewählt, der sein Amt als Rektor am 1. Oktober antrat: Prof. Dr. Friedhelm Oberheuser, der Direktor der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe. Seinen Antrittsbesuch beim zuständigen Kultusminister Prof. Walter Braun in Kiel stattete er am 24. Mai ab. Die LN berichteten mit Foto.
"Die Verselbständigung der Hochschule ist auch eine Anerkennung für die in den vergangenen Jahren geleistete Arbeit", sagte der Minister anlässlich der Unterzeichnung des Vertrages, der die Trägerschaft von der Hansestadt auf das Land übertrug. Für die bisherigen städtischen Krankenanstalten Lübeck-Ost eröffneten sich damit der Ausbau zu einer modernen Medizinischen Hochschule mit Hochleistungskliniken und der Aufbau auch des vorklinischen Studienabschnitts. Beides wäre finanziell von der Hansestadt nicht zu leisten gewesen und lag natürlich auch nicht in kommunaler Zuständigkeit. "Lübeck spart jetzt Millionen - Die Forschung bezahlt Kiel", brachten es die Lübecker Nachrichten mit einer Überschrift auf den Punkt (2. Juni).
Die Lübecker Stadtspitze vollzog die Vertragsunterzeichnung schlicht und sachlich. "Lustlos" und wie eine "Pflichtübung" sei der Abschied von der Hochschule gewesen, schrieb Klaus J. Groth in seinem Kommentar "An Omas Tischchen" in den LN: "Lübeck hat sich in der Vergangenheit einen Ruf als Handelsstadt erworben, auch Patina ist etwas wert. Ob das jedoch für die Zukunft reicht, ist fraglich."
Das Rathaus habe die Chance, das einseitig gelagerte Interesse der Stadt auf andere, neue Gebiete zu lenken, meinte Groth. "Doch die wissenschaftliche Arbeit in Lübeck, sei es nun der Medizinischen Hochschule oder der Fachhochschule, spielt sich am Rande ab. Ganz so wie der Standort dieser beiden Einrichtungen am Rande der Schrebergärten und des Brachlandes."
Von der Vision eines Hochschulstadtteils und eines rapide wachsenden Wissenschaftscampus war man tatsächlich 1973 noch jahrzehnteweit entfernt. Die damalige Stimmung kennzeichnete der Kommentator jedenfalls so: "Die Wissenschaftler, die in Lübeck arbeiten, haben gegen den ehrbaren Kaufmannsgeist kaum Aussichten auf gesellschaftliche Anerkennung. Es sei denn, mit ihnen sei eine simple Rechnung aufzumachen, die auf der Aktiva-Seite ein kräftiges Plus ergibt."
Dies hat sich in der Zwischenzeit unbezweifelbar eingestellt.
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