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Historie

Ein nicht von der Hand zu zeigendes Geschäft

Welche Ausgaben und Einnahmen würde die Errichtung einer Universität dem Staate Lübeck bringen?

Dieser Frage widmeten die "Neuen Lübeckischen Blätter" 1852 eine eingehende Erörterung. Tatsächlich vergingen dann zwar bis zur Gründung der Medizinischen Akademie 1964 noch über hundert Jahre. An einer mangelnden Stichhaltigkeit der damaligen Argumente und Berechnungen lag das aber nicht.

"Wenn in diesem Aufsatze die rein materielle Seite des Gegenstandes zuerst behandelt wird, so geschieht dies nicht, weil sie die wichtigste ist, sondern weil eben in unseren Tagen das Materielle überall sehr schwer, wenn nicht zu schwer in die Wagschale fällt, und auch in rein geistigen Dingen in den meisten Fällen den Ausschlag giebt", schrieb der anonyme Verfasser. Wir können dem auch heute, über anderthalb Jahrhunderte später, nur beipflichten.

Kaufmännisch und gewissenhaft wird aufgelistet, welche Ausgaben bei Einrichtung einer Universität "1) für Herstellung der nöthigen Gebäude, 2) für Anschaffung von Lehrapparaten, 3) für Begründung einer Bibliothek, 4) für Besoldung der ordentlichen und außerordentlichen Professoren" entstehen. 

"Rechnen wir nun die anfängliche Zahl der Studenten auf ca. 200, so würden diese jährlich mindestens 40 bis 50,000 Rthlr. Ct. in Lübeck verbrauchen, und nehmen wir hierzu die Ausgaben der Professoren und Doctoren, so würde die Universität jährlich ca. 100,000 Rthlr. Cour. in Umlauf setzen, von welchen mindestens 50,000 Rthlr. vom Auslande hereingebracht würden."

Es ergebe sich also eine sehr lukrative Belebung für den Handel und das heimische Handwerk. Das aufgewendete Geld flösse zu einem erheblichen Teil in die Lübecker Wirtschaft zurück ("Kaufleute, Buchhändler, Gastwirthe, Schneider, Schumacher, Stiefelputzer, Essenträger u.s.w. u.s.w.").

Fazit 1852: "Bei einem vorurtheilsfreien und vollständigen Vergleich der Ausgaben und Einnahmen wird sich herausstellen, daß das vom Staate zu verwendende Capital dem Staate mindestens 40 bis 50 Procent Zinsen trägt, ein Geschäft, welches vom rein materiellen Standpunkte, und dieser ist in Wirklichkeit nicht der wichtigste, betrachtet, nicht von der Hand zu zeigen sein möchte."

Die „Neuen Lübeckischen Blätter“, aus denen die heutigen „Lübeckischen Blätter“ der Gemeinnützigen hervorgegangen sind, sind übrigens auch publikationsgeschichtlich durchaus spannend. Zwischen 1835 und dem Revolutionsjahr 1848 galten sie als Sprachrohr der Erneuerungsbewegung („Jung-Lübeck“). Wegen ihrer kritisch-kontroversen Inhalte wurden die Beiträge in dieser Zeit nicht unter den Namen der Verfasser, sondern unter einer Zahlenchiffre veröffentlicht. Im Januar 1859 wurde die Zeitschrift wegen der in ihr geäußerten Kritik an der politischen Führung des Stadtstaates sogar verboten, erschien aber ab Februar 1859 bereits wieder, nun unter dem geänderten Titel „Lübeckische Blätter“.

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