Katharina – Ein Morgen im Mai 2025
Ein Donnerstagmorgen um 8.27 Uhr in Bad Oldesloe im Mai 2025. Noch etwas schlaftrunken und mit leichten Kopfschmerzen schlägt Katharina die Augen auf – ihr Wecker hat sie offensichtlich mit ihrer Lieblingsmusik geweckt, wenn auch anderthalb Stunden später als sonst. Was ist los? Schlagartig fällt es ihr wieder ein – gestern die Geburtstagsfete ging doch etwas länger… »Guten Morgen, Kathi«, klingt es vertraut aus dem kleinen Lautsprecher, »ich habe dich ein wenig länger schlafen lassen, du brauchtest das. Unten läuft der Kaffee, und deine Fahrgemeinschaft zur Uni habe ich umgebucht. Bitte sei um 9.15 Uhr vorne an der Straße.« »Praktisch«, denkt Katharina sich, steht auf, duscht und genießt ihren frischen Kaffee. Pünktlich wird sie abgeholt und ist auf dem Weg nach Lübeck zur Uni, wo sie als Doktorandin arbeitet. Eine knappe halbe Stunde später setzt sie ihre Fahrgemeinschaft allerdings am Kohlmarkt ab – das war wohl die beste Alternative, die ihr kleiner Helfer zu Hause finden konnte. Sie will schon in Richtung Bushaltestelle laufen, als sich ihr Intelliphone meldet: »Der nächste Bus Richtung Uni fährt leider erst in 15 Minuten. Aber um die Ecke in der Schmiedestraße ist eine Fahrradstation. In den nächsten 20 Minuten wird es außerdem nicht regnen: Du kannst also problemlos radeln. Soll ich dir ein Rad buchen, Kathi?« Katharina nickt, was ihr Intelliphone problemlos erfasst. Fünf Minuten später sitzt sie auf dem Rad und tritt in die Pedale. Nicht superpünktlich, aber doch noch rechtzeitig für ihren ersten Termin, kommt sie am Institut an. »Sehr gut, Kathi«, tönt es aus dem Telefon, »ich habe deine körperliche Betätigung an die Krankenkasse gemeldet. Außerdem hast Du weitere CO2-Reduktionspunkte gesammelt – noch 212 weitere Punkte, und du bekommst eine Steuerermäßigung!«
Tja, ist das eine schreckliche oder eine schöne Vision? Und wie weit ist sie noch von der Realität entfernt? Speziell neue Methoden der Digitalisierung haben oft großen Nutzwert, was Bequemlichkeit und Schnelligkeit, in der Arbeiten erledigt werden können, angeht, aber zugleich auch ein hohes Missbrauchspotential. Im obigen Szenario wird die eine oder andere Leserin spätestens beim Wort ›Krankenkasse‹ die Stirn gerunzelt haben. Aber tatsächlich gibt es praktisch alle Technologien, die für eine Umsetzung von ›Katharinas Weg zur Arbeit‹ nötig sind, schon – und an vielen der Dinge wird auch an unserer Universität, oft zusammen mit Partnern, gearbeitet. Schauen wir uns ein paar Beispiele an:
SmartHome-Technologien haben sehr viel mit dem Internet der Dinge zu tun, aber natürlich auch mit Künstlicher Intelligenz, wie übrigens viele der von Kati benutzten digitalen Werkzeuge. Das schlaue Helferlein, das Kati am Morgen geweckt hat, muss zum Beispiel in der Lage sein, die Kaffeemaschine einzuschalten und auch den Wecker. Es muss in der Lage sein, Daten miteinander zu verknüpfen, um daraus neue Informationen zu generieren, wie beispielsweise den Zeitpunkt von Katharinas voraussichtlicher Bereitschaft, das Haus zu verlassen, mit den verfügbaren Fahrgemeinschaften, die zumindest grob in die richtige Richtung fahren. Und vorher wurde ja auch noch der optimale Zeitpunkt zum Wecken bestimmt, um ihr einerseits genug Schlaf zu geben, sie aber andererseits noch rechtzeitig zu ihrem Termin kommen zu lassen. Dazu hat der digitale Helfer auch ständig die physiologischen Werte von Kathi im Blick. Und in der Tat, das gibt es praktisch alles schon, inklusive der Ansätze zur komplexen Informationskombination. In Lübeck arbeiten beispielsweise die Institute für Informationssysteme, für Multimediale und Interaktive Systeme und für Telematik eng zusammen, um solche einfach zu benutzenden Systeme z.B. für die Automatisierung von Pflegeleistungen zu realisieren.
SmartMobility oder SmartTransport, wie der Ansatz der intelligenten Verknüpfung von Verkehrsmitteln genannt wird, ist ebenfalls ein weltweit intensiv beforschtes Thema. In Lübeck haben wir dazu eigens einen Verein gegründet, den ›Energiecluster Digitales Lübeck‹, der sich nicht nur mit Energiefragen, sondern allgemein mit Lösungen für eine ›Smart City Lübeck‹ befasst. Hier untersuchen etwa Kollegen aus dem schon erwähnten Institut für Multimediale und Interaktive Systeme und aus dem Institut für Softwaretechnik und Programmiersprachen, wie sich die Reichweite von eBussen verlängern lässt oder welches die energieeffizienteste Route von der Universität zum Strand in Travemünde ist. Weiterhin entstehen gerade Pläne für eine kombinierte Wegsuche aus PKW, Stadtverkehr, Bahn und Fahrrad.
Das alles wird möglich durch eine große Datenplattform, in der die Stadt digital abgebildet wird. Auch hier wird durch eine geschickte Kombination von Daten eine Vielzahl neuer Anwendungen möglich – und dieses Potenzial soll jedem offen stehen, nicht nur der Verwaltung, sondern auch Unternehmen, einzelnen Bürgern oder Bürgergemeinschaften. Man darf gespannt sein, welche neuen Ideen hier in den nächsten Jahren entstehen werden.
Ein Thema, das hier nicht übergangen werden darf, ist das der Künstlichen Intelligenz (KI). KI ist heute eines der großen Themen der Digitalisierung und kam in unserem Szenario mehrfach zum Einsatz – zumindest entstand vermutlich bei dem einen oder anderen Leser der Eindruck, es mit einem ziemlich intelligenten System zu tun zu haben. Die Universität zu Lübeck möchte dieses Thema zu einem ihrer Schwerpunkte insbesondere in der Informatik machen und sich dabei besonders auf Anwendungen in der Medizin konzentrieren.
Die schon in hohem Maße vorhandenen Kompetenzen im Maschinellen Lernen einerseits und bei den symbolischen Ansätzen andererseits sollen ausgebaut und um spezielle Anwendungskomponenten ergänzt werden. Zu diesem Zweck hat sich die Universität ein großes Ziel gesetzt, nämlich im Verbund mit mehreren Partnern aus Schleswig Holstein, Hamburg und Bremen (UKSH, Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz Bremen (DFKI), Uni Hamburg etc.) ein großes Forschungs- und Entwicklungszentrum für KI in Gesundheitssystemen auf den Weg zu bringen. Die Aussichten stehen nicht schlecht, da das Konzept das Finale des vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie ausgelobten KI-Ideenwettbewerbs erreicht hat.
Kommen wir noch einmal auf die so genannte ›Dual use‹-Eigenschaft von digitalen Technologien zu sprechen. Für eine breite Akzeptanz solcher Lösungen in der Bevölkerung wird ein offensichtlicher Nutzen nicht mehr genügen. Gerade beim Thema KI ist dies sehr gut zu beobachten – es gibt vielfältige und diffuse Ängste, die sich im Wesentlichen zu ›Die Roboter übernehmen die Macht‹ zusammenfassen lassen. Es wird deshalb eine umfangreiche Begleitforschung zu den so genannten ›Ethical, legal, social aspects‹ (ELSA) nötig sein. Auch in diesem Bereich wird sich die Universität zu Lübeck engagieren, zum Bespiel mit entsprechenden Professuren, aber auch umfassenden und breit nutzbaren Einrichtungen wie einem ›Ethical hub‹, der die Plattform für eine breite gesellschaftliche Diskussion bieten wird.
Und schließlich haben wir Kathi übrigens absichtlich an die Uni und nicht z.B. zum Rathaus oder zu einem Bürgerbüro fahren lassen – das ist nämlich 2025 weitgehend nicht mehr nötig. Die digitale Verwaltung wird so weit fortgeschritten sein, dass ein Großteil aller Kontakte mit Ämtern digital und online abgewickelt werden wird. Und die Universität zu Lübeck arbeitet eifrig an diesen Lösungen mit, im Verbund mit der Firma Mach AG sowie dem Land Schleswig-Holstein und voraussichtlich in Kürze auch der Hansestadt Lübeck. Diese Partner gründeten dazu im vergangenen Jahr das ›Joint Innovation Lab‹ für eGovernment, das sich im Hochschulstadtteil befindet und in dem neueste Forschungsergebnisse zu digitalen Verwaltungsverfahren (z.B. auch zu komfortablen Benutzungsschnittstellen) sofort erprobt und auf ihre Tauglichkeit für die Praxis in den Ämtern des Landes untersucht werden. Seit April dieses Jahres haben wir dazu auch eine echte Expertin an Bord, Frau Professorin Moreen Heine, deren Fachgebiet eGovernment ist.
Also, es tut sich viel bei der Digitalisierung, und Lübeck ist mit seiner Uni und ihren Partnern ganz vorne mit dabei. Wir würden uns freuen, wenn Sie sich regelmäßig weiter über unsere Fortschritte informieren würden!
Prof. Dr. rer. nat. Stefan Fischer, Vizepräsident Digitalisierung und Transfer, Direktor des Institutes
für Telematik
für die Ukraine