Prof. Dr. med. Gabriele Gillessen-Kaesbach, Präsidentin
Fünf Jahre Stiftungsuniversität, ein Jahr Präsidentschaft: Ein Anstieg der Studierendenzahlen, wachsende Drittmittel, Steigerung der wissenschaftlichen Reputation – große Erfolge der Campusgemeinschaft, und doch gibt es noch viel zu tun…
2018 war für mich ein spannendes Jahr mit vielfältigen Ereignissen und unterschiedlichen Herausforderungen. War ich davon ausgegangen, dass ich meine Universität aufgrund meiner langjährigen Tätigkeit als Leiterin des Instituts für Humangenetik und meiner dreijährigen Arbeit als Vizepräsidentin für Forschung schon sehr gut kennengelernt hätte, so reifte doch rasch die Erkenntnis, dass es eine Reihe von Bereichen und Themen gab, mit denen ich zuvor nur sehr selten in Berührung gekommen war.
Die Besuche bei meinen Kolleginnen und Kollegen in den MINT-Sektionen sind hier sicherlich an erster Stelle zu nennen. Sie haben mir gezeigt, dass insbesondere in einer Zeit, in der Digitalisierung eines der am häufigsten benutzen Worte ist, die Universität zu Lübeck ein riesiges Potential hat. An welcher anderen Universität sind Informatik und Medizin nebeneinander auf einem gemeinsamen Campus angesiedelt? Hieraus hat sich ja auch seit Jahren eine erfolgreiche interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Medizin und Informatik auf dem Gebiet der Bildgebung und Bildverarbeitung ergeben. Junge Wissenschaftler, die bereits in den Vereinigten Staaten Positionen inne hatten und dort genau die Themen bearbeiteten, die brandaktuell sind – wie etwa IT-Sicherheit, Autonome Systeme, Robotik und Künstliche Intelligenz –, entscheiden sich für die Universität zu Lübeck. Besonders stolz bin ich, dass die Kollegen der Informatik gemeinsam mit Partnern aus Bremen, Hamburg und Kiel im Innovationswettbewerb ›Künstliche Intelligenz als Treiber für volkswirtschaftlich relevante Ökosysteme‹ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie die Möglichkeit erhalten haben, einen Antrag für die Etablierung eines Zentrums für Künstliche Intelligenz einzureichen.
Das vergangene Jahr war auch ein Jahr des personellen Umbruchs: Mit den Wahlen von Frau Sandra Magens zur Kanzlerin und Herrn Prof. Dr. Christopher Baum zum hauptamtlichen Vizepräsidenten Medizin erneuerte und vervollständigte sich unser Präsidium. Gemäß Hochschulgesetz hat der Vizepräsident Medizin auch einen Sitz im Vorstand des UKSH, sehr wichtig, um hier die Belange von Forschung und Lehre unserer Universität zu vertreten. Gemeinsam mit den beiden Vizepräsidenten, Prof. Dr. Stefan Fischer und Prof. Dr. Enno Hartmann haben wir ein zukunftsgerichtetes, schlagkräftiges Präsidium in Partnerschaft mit dem Senat unter ebenfalls neuem Vorsitz. Ich freue mich sehr, dass Frau Prof. Dr. Carla Nau zu dessen Vorsitzenden gewählt wurde.
Unsere Universität wächst. In den letzten Jahren verzeichnen wir eine erhebliche Steigerung bei der Anzahl an Studierenden. Im Wintersemester 2018/19 konnten wir 1011 Erstsemester begrüßen, erstmalig auch Studierende der Logopädie und Ergotherapie. Damit komplettieren wir das Angebot der Gesundheitswissenschaften. Unter dem Titel ›Was ich bedenken will‹ haben wir zudem allen Erstsemestern Eckpunkte unseres Leitbilds an die Hand gegeben. Sie sollen ihnen helfen, ihre Position in der Gesellschaft zu finden und in stetiger Verantwortung für sie zu handeln. Diese persönliche Entwicklung ist für uns als Universität sehr wichtig und ergänzt unseren Anspruch einer fundierten fachlichen Ausbildung auf hohem Niveau.
Während wir im Jahr 2006 etwa 2.300 Studierende hatten, liegt die Zahl im Wintersemester 2018/2019 bei 4.774. Dies entspricht einem Zuwachs von über 100 Prozent in den letzten zwölf Jahren, und wir verdanken diese Entwicklung nicht zuletzt den Mitteln des Hochschulpaktes. So konnten wir eine Reihe neuer Studiengänge etablieren, neben der Psychologie sind dies insbesondere die Gesundheitswissenschaften, die Robotik und die Biophysik. Mittlerweile ist die Universität zu Lübeck die führende akademische Einrichtung für Gesundheitsberufe. Allerdings ist es nicht mein Ziel – das habe ich unter dem Stichwort Konsolidierung bereits zu Beginn meiner Amtszeit gesagt –, diese Zahl in den nächsten Jahren weiterhin deutlich zu erhöhen. Mein Anspruch ist es vielmehr, die hohe Qualität der Lehre an unserer Universität, die sich bundesweit seit Jahren durch ein hervorragendes Abschneiden im CHE-Ranking zeigt, in Zukunft beizubehalten, wenn nicht zu steigern. In der Medizin setzen wir dabei auf strukturierte Auswahlgespräche, die es uns erlauben, die geeignetsten Studierenden zu gewinnen. Zusätzlich haben wir engagierte Mentorenprogramme und professionell ausgeführte Evaluationen implementiert, die unsere Studierenden darin unterstützen, ihr Studium erfolgreich abzuschließen, und den Dozierenden zeigen, wo Lehre verbessert werden kann.
Gleichwohl – wo Licht ist, gibt es auch Schatten. Die Abbruchquoten in den MINT-Fächern sind trotz unserer Bemühungen weiterhin bedauerlich hoch. Hier müssen wir noch engagierter gegensteuern. Die Gesellschaft lebt gut von ausgebildeten jungen Menschen; die Wirtschaft wird ohne sie ihre Position in der sich weltweit verstärkenden Konkurrenz um innovative Ideen und prosperierende Märkte verlieren. Um ihrem Bildungsauftrag nachzukommen, müssen sich Hochschulen deshalb stärker als in der Vergangenheit an der Förderung und Erhaltung der Studierfähigkeit ihrer Studierenden beteiligen. Studienabbruch stellt vor dem Hintergrund der nachhaltigen Fachkräftesicherung für den Innovationsstandort Deutschland eine große bildungspolitische Herausforderung dar. Dies bleibt nicht ohne Einfluss auf unser Bildungswesen, auf die Art und Weise sowie die Strukturen, in denen wir Bildung vermitteln.
Es geht also um ein qualitatives Wachstum, um Exzellenz in der Lehre, für die wir und die Hochschulen insgesamt Verantwortung tragen. Wir müssen alle – Lernende wie Lehrende – einen Beitrag leisten, damit wir unsere hohe Qualität in der Lehre beibehalten.
Die Forschungsleistungen pro Professor sind im nationalen Vergleich deutlich ansteigend und betragen rund 50 Millionen Euro (MINT und Medizin). Die staatliche Grundfinanzierung lag im Jahr 2018 bei 29,8 Millionen Euro zusätzlich zu 40,8 Millionen für Forschung und Lehre in der Medizin.
Die Universität zu Lübeck ist inhaltlich mit mehr als 40 Prozent der Projekte am Exzellenzcluster ›Precision Medicine in Chronic Inflammation‹ beteiligt, der im letzten Jahr positiv begutachtet wurde. Dieser Erfolg ist umso größer, wenn man bedenkt, dass die Christians-Albrechts-Universität zu Kiel und die Universität zu Lübeck sich nun bereits in der dritten Förderperiode befinden. Dazu wird zusammen mit den Medizinischen Fakultäten, dem Universitätsklinikum Schleswig-Holstein und der Ärztekammer Schleswig-Holstein ein bundesweit wegweisendes neues Programm zur Ausbildung junger klinischer Forscher und Forscherinnen auf den Weg gebracht. Erfolgreich war in diesem Zusammenhang auch die Einwerbung eines Programms der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). So konnten wir die Clinician Scientist School Lübeck (CSSL) etablieren, die eine Verbindung zwischen unseren Forschungsschwerpunkten Gehirn, Hormone und Verhalten sowie Infektion und Entzündung darstellt. Hier beträgt die Fördersumme 2,7 Millionen Euro.
Sehr erfreulich war die positive Begutachtung der DFG-Forschungsgruppe ›TIC for TAC – Cognitive theory for Tourette syndrome – a novel perspective‹ mit ihrer Förderung in Höhe von 2,9 Millionen Euro, eingeworben durch Prof. Dr. Alexander Münchau aus unserer Neurologie gemeinsam mit Kollegen aus Dresden.
Erfolgreich war auch ein gemeinsamer Verbundantrag der Neurochirurgie, des Medizinischen Laserzentrums und des Instituts für Biomedizinische Optik. Hier wurden 2,5 Millionen Euro für einen Antrag an das Bundesministerium für Bildung und Forschung für ein Projekt für die intraoperative automatisierte Erkennung und Behandlung von Hirntumoren eingeworben.
Auf EU-Ebene können wir sehr stolz auf die Bewilligung eines hoch renommierten ›Synergy Grant‹ von Prof. Dr. Markus Schwaninger gemeinsam mit zwei Kollegen aus Spanien und Frankreich schauen. Von der Gesamtfördersumme in Höhe von 9,9 Millionen Euro entfallen 2,9 Millionen auf Lübeck. Hierbei handelt es sich um eine Auszeichnung, die nur herausragenden Wissenschaftlern verliehen wird. Auch zwei EU-Projekte (INTERREG) wurden erfolgreich begutachtet: ›MatKult – Mathematik mit Grenzwert‹ (Fördersumme: € 500.000) und ›NorDigHealth – Novel Regional Digital Solutions for Improving Health‹ (Fördersumme: € 539.000).
Im Jahr 2018 konnten folgende wichtige Lehrstühle (W3) in der Medizin erfolgreich besetzt werden: Prof. Dr. med. Stephan Ensminger M.A.D. Phil., Professur für Herz- und thorakale Gefäßchirurgie; Prof. Dr. rer. nat. Kristina Kusche-Vihrog, Professur für Physiologie, sowie Prof. Dr. med. Harald Langer, Innere Medizin-Kardiologie. Außerdem konnten wir Prof. Dr. iur. utr. Joachim Breuer auf eine Stiftungsprofessur für Versicherungsmedizin berufen. Des Weiteren wurde ein Stiftungslehrstuhl Ernährungsmedizin eingerichtet. Ermöglicht wurde dies mit namhafter Unterstützung durch das Gesundheitsunternehmen Fresenius Kabi. Prof. Dr. med. Christian Sina hat die Stiftungsprofessur im Dezember übernommen.
In den MINT-Sektionen erhielt Prof. Dr. Ing. Marcin Grzegorzek (Medizinische Informatik) eine W3-Professur ohne Leitungsfunktion.
Seit der Umwandlung zur Stiftungsuniversität erschließt sich die Universität zu Lübeck gezielt neue Partnerschaften. Damit setzt sie die Erwartungen u. a. der Politik zu ihrer Gründung konsequent um.
So konnte die Stiftungsuniversität Lübeck einen viel beachteten Erfolg verzeichnen. Erstmalig wurde in Lübeck ein ›Endowment‹ für Chronobiologie (Prof. Dr. rer. nat. Henrik Oster) etabliert. Hierbei handelt sich um ein neues Förderinstrument der Volkswagen-Stiftung, das die dauerhafte Verstetigung eines Forschungsschwerpunkts zum Ziel hat. Der Deutsche Stifterverband und die Volkswagen-Stiftung waren mit zwei Millionen Euro in Vorleistung gegangen. Die Universität musste in einer definierten Zeit eine gleichwertige Summe einwerben, was auch dank diverser Lübecker Stiftungen gelungen ist.
Mit einer sehr großzügigen Förderung unterstützt die Possehl-Stiftung mit dem Clinician Scientist-Programm unseren wissenschaftlichen Nachwuchs und investiert in die Infrastruktur unserer Forschungsgebäude.
Mit Hilfe des Landes Schleswig-Holstein (1,06 Millionen Euro) konnte unsere Universität eine Professur für E-Government und Open Data Ecosystems einrichten. Ziel ist es, die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung zu verbessern. Zusammen mit der MACH-AG, der Landesregierung und der Stadt Lübeck wurde in diesem Zusammenhang ein Innovationslabor (›Joint Innovation Lab‹) in Anwesenheit des Ministerpräsidenten Daniel Günther und des Lübecker Bürgermeisters Jan Lindenau am 16. Dezember feierlich eröffnet.
Aber auch kleinere Fundraisingkampagnen wie das Sponsoring von T-Shirts zur Unterstützung der Aktivitäten von Studierenden des Studiengangs IT-Sicherheit durch die Firma s-consit aus Bad Oldesloe möchte ich hier nennen. Diese T-Shirts mit unserem Logo werden die Studierenden in Zukunft bei den verschiedenen Wettbewerben tragen.
Zahlreiche Veranstaltungen prägten den Austausch von Hochschule und Stadt. Ich möchte hier nur stellvertretend das Studium Generale zum Thema ›Pflege‹ sowie die Veranstaltung ›Maschinen und Moral‹ mit Robert Habeck sowie den ›Lübecker Salon‹ erwähnen.
Ein besonderes Highlight waren der Besuch und der Austausch mit dem Erzbischof von Hamburg, Dr. Stefan Heße, im November letzten Jahres. In einem vierstündigen Rundgang über den Campus und Gesprächen mit allen Statusgruppen konnten wir ihm unsere Universität nahe bringen.
Der gemeinsame Antrag der drei Lübecker Hochschulen (Universität, Technische Hochschule und Musikhochschule Lübeck) an die Possehl Stiftung hat ein wenig mehr Zeit in der Abstimmung benötigt als geplant, ist aber eingereicht, so dass wir hoffen, in Kürze mit dem vielfältigen Programm starten zu können.
Ich finde es ganz erstaunlich, was unsere kleine, aber feine Universität zu Lübeck im Jahr 2018 aufzuweisen hat, und ich möchte an dieser Stelle allen danken, die an dem Erfolg in diesem Jahr mitgewirkt haben. Engagieren Sie sich bitte auch weiterhin für ein erfolgreiches, nachhaltiges, qualitatives Wachstum der Universität. Und nicht zuletzt: Ich freue mich auf die nächsten Jahre.
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