Im Laufe des Medizinstudiums setzen wir unterschiedliche interprofessionelle Impulse, die sich als „Roter Faden“ longitudinal durch das gesamte Studium in Lübeck ziehen. Sie legen den Grundstein für eine erfolgreiche interprofessionelle Zusammenarbeit im Berufsleben.
Innerhalb der Einführungsveranstaltung („Erstsemesterbegrüßung“) ist es uns ein besonderes Anliegen, alle Erstsemesterstudierenden der verschiedenen Studiengänge der Sektion Medizin (Humanmedizin, Pflege, Angewandte Pflegewissenschaft, Physiotherapie, Hebammenwissenschaft, Ergotherapie/Logopädie und Gesundheits- und Versorgungswissenschaften) gemeinsam zu begrüßen. Im Anschluss werden die einzelnen Studiengänge vorgestellt und es folgen erste Impulse zur Interprofessionalisierung an der Universität zu Lübeck.
Damit bildet die Erstsemesterbegrüßung einen ersten Berührungspunkt der Studierenden unterschiedlicher Studiengänge untereinander. Am Anfang der Interprofessionalisierung steht das Wissen um die Existenz und die groben Inhalte und Strukturen der anderen Studienfächer, sodass Gemeinsamkeiten und Unterschiede deutlich werden. Die Studierenden werden in das Konzept der interprofessionellen Lehre eingeführt und die Wichtigkeit des gemeinsamen Lernens für die spätere Zusammenarbeit wird erläutert. Sie werden mit einer interprofessionellen „Brille“ ausgestattet, sodass sie ihr Studium für das Thema Interprofessionalität sensibilisiert beginnen.
Zu Beginn ihres zweiten Semesters nehmen alle Studierenden der Studiengänge an der Sektion Medizin am Interprofessionellen Tag teil. Die ganztägige Veranstaltung ist für die etwa 350 teilnehmenden Studierenden fester Bestandteil des Lehrplans.
Neben der zentralen und gemeinschaftlichen Einführungs- und Abschlussveranstaltung bietet der interprofessionelle Tag zwei Workshopformate, die die Teilnehmenden in interprofessionellen Teams besuchen.
In einem „100 Minuten Gesundheitswissen Insights“-Workshop schnuppern die Studierenden in einen Themenbereich der Gesundheitsfachberufe und Medizin. Die Auswahl eines Workshops kann nach individueller Präferenz der Zweitsemester vorgenommen werden. Die Workshops im Jahr 2024 behandelten beispielsweise die Themengebiete Patientenkommunikation, Gewalt in der Geburtshilfe, Schluckstörungen und Teamorganisation in einer Notaufnahme. Übergreifend werden den Teilnehmenden in den Workshops die Arbeitstechniken und (Berufs-)Perspektiven aus den verschiedenen Studiengängen vermittelt. Die Studierenden erhalten so die Möglichkeit, über den Tellerrand des eigenen Studiengangs hinauszuschauen und die Sicht- und Denkweisen der benachbarten Berufsgruppen kennenzulernen.
Im Workshopformat „100 Minuten Teamkultur“ geht es um die Auseinandersetzung mit bisherigen Erfahrungen in der (interprofessionellen) Zusammenarbeit. Durch Kommunikationsspiele und die Methode des World Cafés beschäftigen sich die Teilnehmenden mit den Werten von guter Zusammenarbeit im Team. Am Ende des Teamkulturworkshops steht die Erarbeitung eines Leitsatzes zum Thema „Was tue ich, damit wir gut zusammenarbeiten können?“. Die kreativen Ergebnisse werden durch die interprofessionellen Gruppen in der Abschlussveranstaltung vorgestellt und die drei besten Gruppen prämiert.
Der Interprofessionelle Tag ermöglicht einen intensiven Kontakt zwischen den Studiengängen und fördert bereits zu Beginn des Studiums die Kompetenzen, die zu einer erfolgreichen späteren Zusammenarbeit beitragen.
Lesen Sie hier den Beitrag der Deutschen Hebammen Zeitschrift über den ersten interprofessionellen Tag 2018.
Die Sektion Medizin der Universität zu Lübeck bietet sowohl fakultative als auch verpflichtende Lehrveranstaltungen zur Förderung der Zusammenarbeit zwischen der Humanmedizin und den Gesundheitsfachberufen an. Dabei wird zwischen multiprofessionellen und interprofessionellen Formaten unterschieden, die jeweils eigene Lernziele verfolgen.
In multiprofessionellen Veranstaltungen lernen Studierende der Sektion Medizin parallel zueinander. Der Fokus liegt darauf, berufsspezifische Kenntnisse und Fähigkeiten zu vertiefen, wobei die Perspektiven der jeweils eigenen Profession in den Vordergrund gestellt werden. Dieser Ansatz ermöglicht es, Fachwissen in der eigenen Disziplin zu festigen, während Austauschmöglichkeiten zwischen den Berufsgruppen in diesen Veranstaltungen limitiert sind. Multiprofessionelles Lernen ist ideal, um tiefere Einblicke in die spezifischen Anforderungen und Methoden einer einzelnen Profession zu gewinnen.
Beispiele: Hauptvorlesungen Humanmedizin in den Fächern Chirurgie, Frauenheilkunde, Innere Medizin und Kinderheilkunde, Forschungsmethoden 1 (PWII) (GW2000-KP05, PF2000)
In interprofessionellen Formaten wird auf das gemeinsame, fächerübergreifende Lernen und der Kooperation besonders geachtet. Teilnehmer*innen aus den verschiedenen Studiengängen arbeiten aktiv zusammen, um gegenseitiges Verständnis, Teamfähigkeit und gemeinsame Entscheidungsfindung zu stärken. Dieses gemeinsame Lernen fördert die Entwicklung von Synergien, die die Qualität der Patientenversorgung verbessern sollen. Besonders betont werden dabei interprofessionelle Kompetenzen wie Kommunikation, Respekt für die Rollen anderer sowie das Teilen von Verantwortung.
Beispiele: Interprofessionelle Kommunikation und Versorgung (GW3020), Interprofessioneller Tag, Klinische Umweltmedizin, Medizin des Alterns und des alten Menschen, Profilwerkstätten
Multiprofessionelle und interprofessionelle Lehrveranstaltungen ergänzen sich und sind zentrale Bestandteile unserer Lehrstrategie. Während multiprofessionelles Lernen das Fachwissen der einzelnen Berufe stärkt, unterstützt interprofessionelles Lernen die Integration dieses Wissens in eine teamorientierte Patient*innenversorgung. Gemeinsam tragen beide Ansätze zur Vorbereitung auf die komplexen Anforderungen in der modernen Gesundheitsversorgung bei.
Im Studium der Humanmedizin stellt der Übergang vom vorklinischen zum klinischen Studienabschnitt für viele Studierende eine große Herausforderung dar. Nachdem sie sich zwei Jahre größtenteils mit theoretischen Inhalten befasst haben, beginnt nun die Arbeit in der Klinik mit Patient*innen und in einem interprofessionellen Team.
Der Workshop "Ich im Team" schafft durch die Auseinandersetzung mit der eigenen Rolle im Team eine Basis für die spätere (interprofessionelle) Zusammenarbeit und soll zwischenmenschliche Kompetenzen wie Teamfähigkeit, Patientenkommunikation und Fehlermanagement stärken. Der Workshop zielt auch darauf ab, das Selbstvertrauen der Teilnehmenden zu stärken.
Das entwickelte Workshop-Format gibt den Studierenden die Möglichkeit, sich in einem geschützten Rahmen zu öffnen, über Ängste zu sprechen und miteinander in einen intensiven Austausch zu gelangen. Die Studierenden erhalten konstruktives Feedback zu ihrer eigenen Außenwirkung und können schließlich in Rollenspielen neu erlernte Techniken zum Umgang mit Fehlern und zu wirkungsvoller Kommunikation ausprobieren. Die Workshops, die von den Schauspielerinnen Dafne-Maria Fiedler und Sylke Hannasky in den Räumen des CVJM durchgeführt werden, integrieren Techniken aus dem Improvisationstheater und dem Coaching-Bereich abseits der sonst im universitären Umfeld üblichen Lehrmethoden.
Weitere Informationen zum Projekt finden Sie hier.
Aufgrund der sehr positiven Evaluation zu den Workshops "Ich im Team" mit dem Wunsch nach einer Vertiefung des Themas Statusverhalten im Klinikalltag wurde die zweitägige fakultative Lehrveranstaltung "Ich bin Chef und wer bist du?", die jährlich zu Beginn des Sommersemesters stattfindet, eingeführt. Die interprofessionelle Veranstaltung ist für die Studierenden der Studiengänge der Sektion Medizin und der Psychologie geöffnet und fördert den interprofessionellen Austausch in einem geschützten Rahmen.
Das Seminar setzt sich mit dem unbefangenen Umgang mit dem eigenen Status im Klinikalltag auseinander. Im täglichen Sprachgebrauch wird unter dem Begriff „Status“ meist der soziale Status verstanden. Ein bedeutender Bestandteil der Kommunikation ist jedoch nicht (nur) der soziale Status, sondern mehr noch der persönliche Status, der sich nach dem situativen Verhalten einer Person verändert und stets ein Verhältnis zu seinem Gegenüber ausdrückt (Posner, 2013).
Der Umgang mit dem situativen Status ist etwas Unumgängliches und kann bewusst erarbeitet werden (Johnstone, 1979). Jederzeit werden verbale aber vor allem nonverbal Signale gesendet und wahrgenommen, die den verschiedenen Mitgliedern eines interprofessionellen Teams einen Status zuweisen. Das Statusverhalten anderer zu erkennen und das eigene variieren zu können, ist eine wichtige Voraussetzung um möglichst konstruktiv auf unterschiedlichen Ebenen zu kommunizieren, mit der Autorität anderer positiv umzugehen und gleichsam die eigene Autorität glaubhaft verkörpern zu können.
Der Interprofessionelle Dialog bietet regelmäßig einmal pro Semester eine strukturierte Online-Plattform für den Austausch von Ideen, Fragen und Gedanken unter den Studierenden der Sektion Medizin zu relevanten und zeitgemäßen Themen aus Medizin und Gesundheitsfachberufen.
Durch die Einbindung von Expert*innen wird eine qualitativ hochwertige Diskussion sichergestellt, die durch das Referat Studium und Lehre Humanmedizin moderiert wird.
Die Einladung zum Dialog mit den Zugangsdaten erfolgt im Vorfeld per Mail.
Bisherige Themen & Termine:
24.01.2023: Krank sind immer nur die Anderen. Oder doch nicht?
23.05.2023: Künstliche Intelligenz in Medizin und Gesundheitsfachberufen
07.11.2023: Respektlosigkeit und Gewalt unter der Geburt
27.06.2024: Warum Klicks und 5-Sterne-Bewertungen nicht alles sind: Gesundheitsinformationen in den sozialen Medien auf dem Prüfstand
15.01.2025: Zwischen Helfen und Selbstschutz: Deeskalation im Klinikalltag
Last but not least: Der Dialog freut sich über Ihren Input! Schicken Sie uns gerne unter medizin.interprofessionalisierung(at)uni-luebeck(dot)de spannende Themen, Texte, Videos etc. aus Ihrem Fachgebiet zu, die in unserem Format diskutiert werden sollen.
für die Ukraine