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Samstag, 08.06.2024

Lehre

Die Rolle der Polypharmakologie in der Pharmakotherapie

Dr. Sven Marcel Stefan (Foto: privat)

Antrittsvorlesung von Dr. Sven Marcel Stefan am 9. Juli (17:00 Uhr, Hörsaal AM 4)

Das Spezifitäts-Paradigma bestimmt bis heute in großen Teilen die Arzneistoffentwicklung. Es beschreibt den Anspruch, dass die Arzneistoffe von morgen ihre Wirkung möglichst potent, selektiv, und spezifisch entfalten. Wirkstoffe mit mehreren Zielstrukturen werden sowohl in akademischer als auch in industrieller Forschung als Risiko betrachtet – ist die Chance von Wechselwirkungen mit weiteren, bisher unentdeckten Zielstrukturen und sich daraus möglicherweise ergebenden unerwünschten Wirkungen gegeben.

Interessanterweise haben retrospektive Analysen ergeben, dass viele zugelassene Arzneistoffe weitaus mehr Interaktionspartner haben als angenommen – im Mittel mehr als die Gesamtheit aller Wirkstoffe und Testsubstanzen. Dies stellt die Annahme, Arzneistoffe interagierten nur mit einer einzigen Zielstruktur oder einer nur sehr kleinen Anzahl von Zielstrukturen, grundlegend in Frage. So steht die Hypothese im Raum, dass der Selektionsprozess von Arzneistoffen – vor allem im klinischen Kontext – diejenigen mit mehr Interaktionspartnern bevorzugt – und ob im Lichte multifaktorieller Erkrankungen, Resistenzentwicklung, und Therapieversagen gezielt solche Wirk- und Arzneistoffe entwickelt werden sollten.

Die Erhebung, Begreifung, und Nutzung ganzheitlich-pharmakologischer Zusammenhänge werden von der Polypharmakologie behandelt. Durch die Anwendung breiter Bewertungsplattformen werden polypharmakologische Wirkprofile zugelassener Arzneistoffe gezielt erstellt. Multi-omics und Big Data erlauben die gezielte Aufklärung optimaler Zielstruktur-Kombinationen – welche medizinal-chemisch erarbeitet werden können. Und die (computergestützte) Analyse chemischer Zusammenhänge erlaubt die Vorhersage von Polypharmakologie – und deren Nutzung zur Erschließung und Etablierung neuer Zielstrukturen.

  • Dr. rer. nat. Sven Marcel Stefan schließt mit der Antrittsvorlesung seine Habilitation an der Universität zu Lübeck im Fachgebiet Medizinische/Pharmazeutische Chemie ab.