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Freitag, 20.10.2017

Lehre

Der Neurochirurg als Schmerzmediziner

Dr. med. Dirk Rasche

Alle(s) unter Strom!? - Antrittsvorlesung von Dr. Dirk Rasche am 21. November (17 Uhr s.t., Hörsaal T1, Transitorium)

Chronische Schmerzen sind ein bedeutsames Problem in unserer Gesellschaft. Mehrere Millionen Deutsche leiden unter Rücken-, Knie- oder Kopfschmerzen. Die Ursache dieser andauernden Schmerzen kann oftmals nicht gefunden oder nicht behoben werden, und es entwickelt sich eine chronische Schmerzkrankheit. Im Verlauf kann der chronische Schmerz so im Vordergrund stehen, dass massive Beeinträchtigungen im täglichen Leben, sozialen Umfeld und sehr häufig demzufolge eine Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit bestehen.

Die Behandlung von chronischen Schmerzen sollte interdisziplinär durch Schmerzmediziner erfolgen und umfasst u. a. Schmerzmedikamente, Physiotherapie, Psychotherapie und auch operative Verfahren. Für die Neurochirurgie sind Operationen an peripheren Nerven, dem Rückenmark oder auch dem Gehirn bei unterschiedlichen Erkrankungen klinischer Alltag. Während bis zum letzten Jahrhundert hauptsächlich destruktive Operationen mit Amputationen, Nervendurchtrennungen oder Zerstörung von zentralen Bahnsystemen im Rückenmark oder Gehirn durchgeführt wurden, kommen seit mehreren Jahrzehnten die Verfahren der Neurostimulation mit elektrischen Impulsen zur Anwendung.

Die Klinik für Neurochirurgie des UKSH am Campus Lübeck ist ein zertifiziertes Zentrum für die invasive neurochirurgische Schmerztherapie. Jährlich werden über 100 solcher Operationen bei chronischen Schmerzpatienten durchgeführt. In der Vorlesung wird vorab ein Überblick über die Bedeutung des chronischen Schmerzes und der Schmerztherapie in Deutschland vermittelt. Die unterschiedlichen Verfahren der peripheren und zentralen Neurostimulation werden erläutert.

Zunächst wird am Beispiel unterschiedlicher chronischer Kopfschmerzen und Migräne die Möglichkeit der subkutanen peripheren Nervenfeldstimulation im Bereich des Nervus occipitalis major am Hinterkopf vorgestellt. Im Bereich der Wirbelsäule werden sowohl die elektrische Stimulation von Spinalganglien als auch die epidurale Rückenmarkstimulation dargestellt und die Haupteinsatzgebiete beschrieben. Weltweit wird die Rückenmarkstimulation (engl. spinal cord stimulation = SCS) am häufigsten angewandt.

Die Entwicklungen der letzten Jahre und der aktuelle klinische Stand der verfügbaren Implantate werden aufgezeigt. Im Bereich des Gehirns werden die Möglichkeiten der zentralen Neuromodulation, d. h. die Oberflächenstimulation auf dem motorischen Kortex und die tiefe Hirnstimulation in bestimmten Kerngebieten, bei bestimmten Schmerzerkrankungen verständlich erläutert. Bei allen vorgestellten Verfahren werden auch die Grenzen der Anwendung und die spezifischen Risiken und Komplikationen dargestellt.

Durch den unaufhaltsamen technischen Fortschritt, z. B. Nanotechnologie oder drahtlose Kommunikation der Implantate, wird es in den kommenden Jahren zu weiteren Verbesserungen der modernen Neuroimplantate kommen. Dies wird dann zu einer Verbesserung der individuellen Patientenversorgung, Schmerzlinderung und Steigerung der Lebensqualität bei ausgewählten chronischen Schmerzpatienten beitragen.

(Habilitation im Fachgebiet Neurochirurgie)