Website
Aktuelles
Samstag, 02.01.2016

Lehre

Streit im Sandkasten

Dr. Doreen Richardt

Wem gehört die Aortenklappe? - Antrittsvorlesung von Dr. med. Doreen Richardt am 26. Januar (18 Uhr s. t. Hörsaal T1)

Die operative Therapie der Aortenklappe fiel jahrelang unbestritten in das Fachgebiet des Herzchirurgen. Seit wenigen Jahren ist ein neues interventionelles Verfahren - die kathetergestützte Klappenimplantationen (TransAortic Valve Implantation = TAVI) - eine Alternative für die Behandlung von Herzklappenerkrankungen und wird im sogenannten interdisziplinären Herzteam (Heart Team) durchgeführt.

Die TAVI–Prozedur ist ein junges interventionelles Therapieverfahren, das längst nicht mehr nur auf die Aortenklappe begrenzt ist. Ursprünglich als ultima ratio–Prozedur für inoperable Patienten gedacht, wird der Kreis der Patienten für diese Prozedur immer weiter. Auch Kinder erhalten inzwischen TAVIs. Nach wie vor werden vor allem Klappen in Aortenposition implantiert. Auch Implantationen in bereits vorhandene und degenerierte Klappenprothesen sind inzwischen Routine.

Für die Implantationen sind verschiedene Zugangswege und inzwischen eine Vielzahl von verschiedenen Herzklappenprothesen vorhanden. Die Patientenanatomie wird vor der Prozedur per EKG-getriggertem CT ausgemessen und anhand verschiedener Aspekte wie z.B. des Verkalkungsmusters, der Klappentyp und die passende Größe festgelegt. Die Implantation erfolgt dann in Allgemeinnarkose oder Analgosedierung im Hybrid-OP unter Kontrastmittelgabe. Für die Pharmaindustrie hat sich ein riesiger Markt eröffnet. In Deutschland wurden die Zahlen im internationa-len Vergleich überdurchschnittlich gesteigert; es folgte der Erlass von Richtlinien für Mindeststandards durch den G-BA.

Auch wenn dieses Verfahren für Aortenklappen-Patienten, die früher nicht versorgt wurden, ein Segen ist, stehen bisher keine Langzeitdaten zur Verfügung. Zudem bleibt es auf Grund der möglichen Komplikationen, Reoperationen und hohen Kosten für das Gesundheitssystem kritisch zu hinterfragen. Nach einem verbindlichen Beschluss des Heart Teams über die Therapie des Patienten stehen Herzchirurg und Kardiologe gemeinsam als Implanteure am Operationstisch. Dieser Heart Team-Gedanke stellt eine besondere Herausforderung an beide Fachdisziplinen dar, zumal es immer wieder Bestrebungen gibt, auch jüngere und Patienten mit mittlerem Risiko mit dieser Technik zu versorgen. Auch und gerade für die Patienten sollte die in Frage kommende OP-Methode akribisch diskutiert und zusammen mit dem Patienten und im Heart Team ausgesucht werden.

(Habilitation im Fachgebiet "Herzchirurgie“)