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Donnerstag, 29.01.2015

Lehre

Antrittsvorlesung: "Vererbt, aber wie?"

Missing heritability - Antrittsvorlesung von Priv.-Doz. Dr. rer. nat. Katja Lohmann am 3. Februar (18 Uhr, Hörsaal T1, Transistorium)

Der Begriff „missing heritability“ beschreibt die bisherige Unkenntnis von einigen Ursachen bei der Vererbung von Krankheiten und Merkmalen, also die „ungeklärte Erblichkeit“. Manchmal wird der Begriff auch als „Vererbung im Verborgenen“ übersetzt. Ein eindrückliches Beispiel ist die Erblichkeit der Körpergröße: Große Eltern haben in der Regel große Kinder und bei eher kleinen Eltern werden auch die Nachkommen meist keine Riesen. Trotzdem können nach heutigem Kenntnisstand weit weniger als 10% der Erblichkeit erklärt werden. Ein ähnliches Bild zeigt sich leider auch bei häufigen Volkskrankheiten wie Typ-2-Diabetes oder Bluthochdruck.

Im Rahmen der Antrittsvorlesung werden Ansätze vorgestellt, die sich dem Schließen dieser Wissenslücke widmen. Als 1990 das Humane Genomprojekt gestartet wurde, gingen viele Wissenschaftler davon aus, innerhalb weniger Jahre die Ursachen der meisten Krankheiten und anderer vererbter Phänotypen aufklären zu können. Doch bald stellte sich heraus, dass einzelne genetische Veränderungen (Einzelgen-Mutationen) nur einen kleinen Teil der Krankheiten erklären können. Um das Jahr 2005 herum erkannte man dann den Einfluss von häufigen genetischen Varianten und glaubte, dass genetische Risikofaktoren die ungeklärte Erblichkeit zu einem Großteil erklären würden. Aber auch mit den dazu durchgeführten, sogenannten genomweiten Assoziationsstudien konnte häufig kein wirklicher Durchbruch erzielt werden. Aktuell werden weitere Hypothesen untersucht, darunter befinden sich vor allem Gen-Gen-Interaktionen, wobei es um ein Gleich- bzw. Ungleichgewicht von Risiko- und protektiven genetischen Varianten geht. Außerdem werden transgenerationale Phänomene untersucht, bei denen erworbene Faktoren von einer Generation zur anderen weitergegeben werden ohne dass sich die Abfolge der Bausteine im Erbgut verändert. Vielmehr scheinen hier epigenetische Effekte eine Rolle zu spielen. Aber auch der Einfluss von nicht kodierenden und regulatorischen Molekülen rückt zunehmend in den Fokus aktueller wissenschaftlicher Untersuchungen.

Die neuen Themengebiete können nur aufgrund eines rasanten technischen Fortschrittes bei der Methodik zur Untersuchung des Erbguts und der Vererbungsprozesse erschlossen werden. Der Wunsch die ungeklärte Erblichkeit zu verstehen liegt nicht nur im puren Streben nach Wissen begründet. Neue Erkenntnisse werden weitreichende Bedeutung in Bezug auf eine verbesserte Prävention, Diagnose und Behandlung von vor allem häufigen Volkskrankheiten haben.

(außerplanmäßige Professur im Fachgebiet Humangenetik)

 

Mehr: Antritts- und Abschiedsvorlesungen

Priv.-Doz. Dr. rer. nat. Katja Lohmann