Um IgE- oder IgG-vermittelte allergische Reaktionen abzuschwächen, muss deren aktivierende Wirkung auf Immunzellen ausgebremst werden
Einen entsprechenden Ansatz hat die Arbeitsgruppe für Immunologie und Glykoanalytik am Institut für Ernährungsmedizin und die Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin der Universität zu Lübeck und des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein, Campus Lübeck herausgefunden und nunin der Fachzeitschrift The Journal of Allergy and Clinical Immunology veröffentlicht.
Bei einer allergischen Reaktion binden Allergene von zum Beispiel Gräserpollen oder Hausstaubmilben an spezifische Antikörper des Typs IgE. Das IgE aktiviert den IgE Rezeptor auf bestimmten Immunzellen, den sogenannten Mastzellen und Basophilen, in zum Beispiel der Haut oder den Schleimhäuten. Das löst die Ausschüttung von Entzündungsmediatoren wie Histamin aus. Diese sorgen für die bekannten Symptome: Es kommt zur Rötung und Schwellung der Haut oder Schleimhaut, sowie Juckreiz und einer vermehrten Schleimbildung in den Schleimhäuten.
Diese durch die IgE-Antikörper vermittelte allergische Reaktion kann durch Allergen-spezifische Antikörper des Typs IgG reduziert werden (Abbildung). Solche Allergen-spezifischen IgG Antikörper werden von Allergikern oft schon selbst gebildet und können durch eine gezielte Allergen-spezifische Immuntherapie weiter erhöht werden.
Die Verminderung der IgE-vermittelten allergischen Reaktion kann dann auf zwei verschiedenen Wegen erfolgen: Zum einen binden IgG-Antikörper direkt an das Allergen und blockieren damit die Bindung des Allergens an die IgE-Antikörper, man spricht dann von einer Allergenmaskierung. Im zweiten Fall verbinden die IgG Antikörper über das Allergen und das IgE den IgE Rezeptor mit einem hemmenden IgG-Rezeptor, den FcγRIIB. Diese inhibierende Kreuzvernetzung verhindert durch Blockierung von Signalwegen in der Mastzelle oder den Basophilen deren Aktivierung und damit die IgE-vermittelte allergische Reaktion.
Neben der klassischen IgE-vermittelten allergischen Reaktion gibt es immer mehr Hinweise dafür, dass bei hohen Allergendosen auch IgG Antikörper selbst allergische Reaktionen auslösen können, zum Beispiel bei allergischen Reaktionen gegen Medikamente. Dabei binden die IgG Antikörper an aktivierende Fcγ Rezeptoren z.B. auf Neutrophilen und Basophilen Immunzellen. Auch diese IgG-vermittelte Immunreaktion wird durch eine inhibierende Kreuzvernetzung über den inhibitorischen FcγRIIB gehemmt(Abbildung).
Ein Forschungsteam aus Lübeck hat nun herausgefunden, wie man diesen FcγRIIB-abhängigen Mechanismus der inhibierenden Kreuzvernetzung gezielt auszunutzen kann, um eine IgE- als auch eine IgG-vermittelte allergische Reaktion abzuschwächen. Ihre Ergebnisse haben Dr. Janina Petry und Lara Dühring aus der Arbeitsgruppen für Immunologie und Glykoanalytik von Prof. Marc Ehlers am Institut für Ernährungsmedizin (IEM) und Dr. Johann Rahmöller von der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin an der Universität zu Lübeck nun in der Fachzeitschrift The Journal of Allergy and Clinical Immunology veröffentlicht.
Je mehr inhibitorische FcγRIIB-Rezeptoren, desto schwächer die allergische Reaktion
„Wir haben angenommen, dass die IgE-vermittelte als auch die IgG-vermittelte allergische Reaktion umso stärker abgeschwächt wird, je mehr es von diesen hemmenden FcγRIIB-Rezeptoren auf den Immunzellen gibt. Daher haben wir nach Mechanismen gesucht, die dazu führen, dass möglichst viel FcγRIIB auf Immunzellen exprimiert wird“, erklärt Prof. Marc Ehlers.
In vorhergehenden Untersuchungen hatten Forschende beobachtet, dass bei Patientinnen und Patienten mit entzündlichen Autoimmunerkrankungen unter einer bestimmten Therapie der FcγRIIB-Rezeptor häufig vermehrt auf bestimmten Immunzellen auftritt. Bei Autoimmunerkrankungen richtet sich das Immunsystem, in der Regel auch IgG Autoantikörper, gegen Bestandteile des eigenen Körpers und führt so zu Entzündungen, während bei Allergien das Immunsystem auf eigentlich ungefährliche Fremdkörper wie Gräserpollen reagiert. „Patientinnen und Patienten mit Autoimmunerkrankungen werden oft mit großen Mengen an gepoolten Gesamt-IgG Antikörpern aus dem Blut von gesunden Spendern behandelt, dem sogenannten IVIg oderintravenösem Immunglobulin“, erklärt Prof. Ehlers.
„2006 haben Forschende gezeigt, dass in dieser IgG Antikörper-Mischung eine Untergruppe von IgG Antikörpern dazu führt, dass mehr inhibitorische FcγRIIB Rezeptoren auf bestimmten Immunzellen exprimiert werden, wodurch eine IgG Autoantikörper-vermittelte Autoimmunreaktion abgeschwächt wird. Diese Beobachtung bildet die Grundlage für unsere Arbeit“, so Prof. Ehlers weiter. Die entscheidende Untergruppe besteht aus IgG Antikörpern, die an ihrem sogenannten Fc-Teil, einen bestimmten Zucker-Baustein, die Sialinsäure, tragen (Abbildung). Diese sialylierten IgG Antikörper binden an Rezeptoren, deren ausgelöste Signalkaskade am Ende dazu führt, dass auf Immunzellen mehr von dem hemmenden FcγRIIB Rezeptor gebildet wird.
IgG Antikörper mit dem Zuckerbaustein Sialinsäure führen zu mehr inhibitorischen FcγRIIB-Rezeptoren auf Immunzellen
„In unserer Arbeit haben wir nun in Allergie-Experimenten gezielt den Anteil von Allergen-unspezifischen Gesamt-IgG Antikörpern mit Sialinsäure im Blut erhöht“, erklärt Prof. Ehlers. „Dadurch wurde auf den Immunzellen mehr von dem entscheidenden FcγRIIB Rezeptor gebildet, wodurch die allergische Reaktion abgeschwächt werden konnte“, so Prof. Ehlers weiter.
Wie viel Gesamt-IgG Antikörper mit Sialinsäure im Blut gesunder Menschen von Natur aus zirkulieren, variiert sehr stark zwischen den Individuen. Das Forschungsteam konnte in einer ersten Untersuchung zeigen, dass Menschen mit einem höheren Anteil der IgG Antikörper mit Sialinsäure im Blut auch mehr von dem FcγRIIB Rezeptor auf Immunzellen bilden. „Die Gesamt-IgG Antikörper im Blut mit Sialinsäure wirken wie ein großes Puffersystem, und die Daten deuten darauf hin, dass jeder individuelle Allergiker aufgrund seines Anteils an IgG Antikörpern mit Sialinsäure im Blut eine allergische Reaktion unterschiedlich gut ausbremsen kann.“
„Die Beobachtungen helfen uns genauer zu verstehen, welche Rolle die sogenannte Glykosilierung der Gesamt-IgG Antikörper, also die biochemischen Zuckerbausteine am Fc-Teil von IgG Antikörpern, bei allergischen Reaktionen spielen“, sagt Prof. Ehlers. „Diese Erkenntnisse könnten zukünftig dabei helfen, Therapien zu entwickeln, die gezielt zu einer vermehrten Bildung des hemmenden FcγRIIB Rezeptors auf den Immunzellen führen und so eine allergische Reaktion abschwächen“, so Prof. Ehlers weiter.
Originalpublikation:
Petry J*, Rahmöller J*, Dühring L*, Lilienthal G-M, Lehrian S, Jana Sophia Buhre, Bartsch YC, Epp A, Lunding H, Moremen KW, Leliavski A, and Ehlers M. Enriched blood IgG sialylation attenuates IgG-mediated and IgG-controlled-IgE-mediated allergic reactions. J Allergy Clin Immunol 2020; doi: 10.1016/j.jaci.2020.05.056. *(gleichberechtigte Erstautorenschaft) www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0091674920308873
für die Ukraine