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Sonntag, 06.09.2015

Forschung

Expertise: Entzündliche Gefäßerkrankungen

Prof. Dr. Peter Lamprecht

Medizinische Expertenplattform bescheinigt Prof. Peter Lamprecht sein internationales Renommee für die Granulomatose mit Polyangiitis

Dem Lübecker Rheumatologen Prof. Dr. med. Peter Lamprecht ist in einer weltweiten Untersuchung seine führende Expertise für die Granulomatose mit Polyangiitis (früher: „Wegener’sche Granulomatose“)  bescheinigt worden.* Wir haben ihn nach seinem Forschungsfeld, den entzündlichen Gefäßerkrankungen, sowie dem Stellenwert und den Perspektiven dieses Bereichs der rheumatologischen Forschung und Therapie in den kommenden Jahren gefragt.

Herr Professor Lamprecht, „Granulomatose mit Polyangiitis“ und „Wegener‘sche Granulomatose“: bringen Sie uns eingangs kurz terminologisch auf den aktuellen Stand?

Prof. Peter Lamprecht: Die Nomenklatur und Definitionen der Vaskulitiden (entzündliche Gefäßerkrankungen), also der Erkrankungsgruppe, zu der die Wegener‘sche Granulomatose zählt, wurde 2012 revidiert. Die Erkrankung wird jetzt zunehmend nicht mehr als Wegener‘sche Granulomatose bezeichnet, sondern wissenschaftlich korrekt als Granulomatose mit Polyangiitis (GPA). An der Revision der Chapel Hill Consensus Conference (CHCC) Nomenklatur und Definition der Vaskulitiden habe ich 2012 mitgewirkt.

Auf welche Weise wurde die GPA zu Ihrem Forschungsgebiet?

Prof. Peter Lamprecht: Die klinische Immunologie und Rheumatologie hat mich seit dem Beginn meiner Studienzeit wegen ihres Facettenreichtums und ihrer Komplexität fasziniert. Die GPA ist eine Autoimmunerkrankung, die durch eine chronische, nicht abheilende Entzündung im Respirationstrakt und eine systemische, alle Organe betreffende, durch Autoantikörper hervorgerufene Gefäßentzündung (Vaskulitis) gekennzeichnet ist. Sie wurde zu meinem Forschungsgebiet, weil die Induktionsmechanismen und Pathogenese dieser potentiell lebensbedrohlichen, chronisch rezidivierenden, lebenseinschränkenden und bislang nicht heilbaren Erkrankung immer noch wenig verstanden werden. Die Erkrankung stellt eine große wissenschaftliche Herausforderung dar. Der Bedarf an neuen und tiefergehenden Erkenntnissen zur Immunpathogenese der GPA ist enorm, um weitergehende Therapiekonzepte zu entwickeln, die über die bisher verfügbaren konventionellen zytostatischen immunsuppressiven Therapieansätze hinaus gehen und Langzeitremissionen oder eine Heilung induzieren.

Welchen Stellenwert haben Forschung, Diagnose und Therapie zur Granulomatose mit Polyangiitis für das medizinisch-klinische Profil Lübecks und darüber hinaus?

Prof. Peter Lamprecht: Die Erforschung der GPA hat durch die Etablierung der von 2008 bis 2014 DFG-geförderten und nun in ihrem Kern an der Universität fortgeführten Klinischen Forschergruppe (KFO) 170 „Frühpathogenese der Granulomatose mit Polyangiitis“ erkennbar zur Stärkung des wissenschaftlichen Profils Lübecks und der nationalen und internationalen Sichtbarkeit auf diesem Forschungsgebiet beigetragen. Unsere Forschergruppe ist wissenschaftlich in den Universitätsprofilbereich Infektion und Entzündung eingebunden und partizipiert am Graduiertenkolleg (GRK) 1727 „Modulation von Autoimmunität“ und dem Exzellenzcluster (EXC) 306 „Inflammation at Interfaces“. Unser Forschungsprofil und unsere Kompetenz in der ambulanten und klinischen Betreuung von Patienten mit Vaskulitiden wie der GPA stellen eine der weit über Lübeck hinaus sichtbaren Kernkompetenzen unserer Abteilung dar. Der Lehrstuhl für Rheumatologie und entzündliche Systemerkrankungen an der Universität Lübeck wurde dieses Jahr neu strukturiert und mit Frau Prof. Gabriela Riemekasten aus Berlin besetzt. Die Klinik für Rheumatologie am UKSH Campus Lübeck wurde neu geschaffen. Unser Kernprofil und die Entzündungsforschung am Campus Lübeck werden durch die von Frau Prof. Riemekasten eingebrachte Kompetenz auf dem Gebiet der Kollagenosen und speziell der systemischen Sklerose weiter gestärkt. Im Vaskulitiszentrum des UKSH kooperieren Kliniker und Wissenschaftlern aus verschiedenen Kliniken und Instituten aus Lübeck und Kiel als Voraussetzung für eine exzellente Forschung auf diesem Gebiet. Es sind daher in der Expertscape-Liste weitere Kolleginnen und Kollegen aus unserem Verbund als hervorragende Wissenschaftler und Experten auf diesem Gebiet gerankt wie Frau Dr. Antje Müller, Klinik für Rheumatologie, und Frau Dr. Konstanze Holl-Ulrich, Institut für Pathologie (UKSH Campus Lübeck), sowie Herr Priv.-Doz. Dr. Martin Laudien, HNO-Klinik (UKSH Campus Kiel).

Welche wissenschaftlichen Fortschritte und Entwicklungen der letzten Jahre auf diesem Gebiet in der hiesigen Universitäts- und Fachmedizin sind besonders hervorzuheben?

Prof. Peter Lamprecht: Hervorzuheben sind die Erforschung und Beschreibung prädisponierender genetischer Risikofaktoren, einer zur chronischen Entzündung führenden Barrierestörung des respiratorischen Epithels, von Funktionsstörungen von Immunzellen, von verschiedenen molekularen Komponenten in der Entzündungspathogenese, der Entwicklung eines Mausmodells zur Erforschung dieser Aspekte und die Etablierung eines ersten, molekular-zielgerichteten Biologikatherapieansatzes als Alternative zu den bisherigen konventionellen zytostatischen immunsuppressiven Therapien.

An welchen Forschungsfragen arbeiten Sie aktuell?

Prof. Peter Lamprecht: Die GPA stellt eine Modellerkrankung für die Erforschung der Entwicklung einer Autoimmunerkrankung aus einer fehlgesteuerten Entzündungsreaktion und somit des wechselseitigen Zusammenhangs zwischen einer chronisch persistierenden Entzündung und Autoimmunität dar. Unsere Arbeitsgruppe fokussiert sich seit zwei Jahren zunehmend auf die Erforschung von Mechanismen der immunologischen Toleranzdurchbrechung, die zur Entstehung von Autoimmunerkrankungen wie der GPA führen. Außerdem erforschen wir die Ausbildung Autoantikörper-bildender lymphatischer Strukturen in der chronischen Entzündung bei der GPA. Hierbei handelt es sich um fundamentale immunologische Mechanismen, die zur Krankheitsentstehung und -persistenz bei der GPA führen.

Welche Einschätzung haben Sie für die Perspektiven dieses Bereich der rheumatologischen Forschung und Therapie in den kommenden Jahren?

Prof. Peter Lamprecht: Die Entschlüsselung von prädisponierenden genetischen und Umweltfaktoren sowie Mechanismen der Toleranzdurchbrechung und Induktion von Autoimmunerkrankungen wie der GPA wird zu einem grundlegenden Wandel in der Behandlung dieser Erkrankungen führen. Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse rücken die Krankheitsprävention durch eine personalisierte Medizin mit Evaluation der genetische Prädisposition und von Umweltfaktoren zur Abschätzung des Erkrankungs- und Rezidivrisikos und die Heilung durch den Einsatz kombinierter und sequentieller Therapieansätze zur molekularen Korrektur von chronischer Entzündung, Toleranzdurchbrechung und Autoimmunität bei der GPA näher. Es wird aber noch Jahre dauern, bis wir diese Ziele erreichen.

(Fragen: Rüdiger Labahn)

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* (http://expertscape.com/ex/wegener+granulomatosis)