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Donnerstag, 21.05.2020

Forschung

Welchen Einfluss haben verschiedene Impfstoff-Strategien auf die Qualität der Antikörper?

(Foto: © New Africa / Adobe Stock)

Studie von Wissenschaftlern aus Lübeck, Borstel, Kiel und Hamburg im Journal of Allergy and Clinical Immunology veröffentlicht

Zurzeit läuft die Entwicklung von Impfstoffen gegen den SARS-CoV-2 Virus auf Hochtouren. Bei der Berichterstattung zur Impfstoffentwicklung steht die Induzierung von Immunglobulin G (IgG) Antikörpern und insbesondere von „neutralisierenden“ IgG Antikörpern, die das Andocken des Virus an spezifische Oberflächenproteine auf unseren Zellen verhindern, im Rampenlicht.

Bei der Berichterstattung bleibt jedoch oft unerwähnt, dass Impfungen auch CD4+ T Helferzellen und CD8+ T Killerzellen aktivieren können, und sich die Qualität der entstehenden Antikörper - neben dem Neutralisationspotential - noch weiter unterscheiden kann. In einer neuen Studie wurde nun untersucht, wie sich verschiedene Co-Stimulatoren oder Adjuvantien, die Impfstoffen zur Verstärkung der Immunantwort zugegeben werden, insbesondere auf die CD4+ T Helferzell-Antwort und die Quantität und Qualität der IgG Antikörper auswirkt.

An dieser Studie beteiligt waren von der Universität zu Lübeck und dem UKSH insbesondere die Doktoren Yannic Bartsch, Simon Eschweiler und Alexei Leliavski und die wissenschaftlichen Doktoranden Hanna Lunding und Sander Wagt alle aus der Arbeitsgruppe „Immunologie und Antikörper-Glykoanalytik“ von Prof. Marc Ehlers am Institut für Ernährungsmedizin (IEM), sowie weitere Wissenschaftler aus Berlin, Borstel, Göttingen, Hamburg, Kiel, Köln, Leiden (Niederlande), Lübeck, Lund (Schweden), Mainz, München, Würzburg und Yokohama (Japan). Die Ergebnisse wurden jetzt in der renommierten Wissenschaftszeitschrift „The Journal of Allergy and Clinical Immunology“ veröffentlicht.

Nach Impfungen stehen insbesondere IgG Antikörpertiter sowie neutralisierende IgG Antikörper, die das Andocken z.B. eines Virus an ein Oberflächenprotein auf unseren Zellen blockieren und so das Eindringen und die Vermehrung des Virus verhindern, im Fokus. Die neutralisierende Wirkung wird dabei durch den Pathogen-bindenden vorderen Teil (Fab Teil) des Y-förmigen Antikörpers vermittelt. Zusätzlich können die Y-förmigen Antikörper aber auch noch über ihren hinteren Fc Teil Immunzellen aktivieren, die helfen, das Virus zu zerstören, so wie Natürliche Killerzellen bei einer Antikörper-vermittelten Tumortherapie.

Die Qualität des Fc Teils von Antikörpern unterscheidet sich dabei in ihrer Subklasse (IgM, IgA1, IgA2, IgE, IgG1, IgG2, IgG3 und IgG4) und Art der angeknüpften Zuckerbausteine. Beides beeinflusst die Interaktion mit verschiedenen aktivierenden und inhibierenden Fc Rezeptoren auf Immunzellen und damit deren Aktivierungszustand.

Man kannte von inflammatorischen Autoimmunerkrankungen, dass die gefährlichen selbst-reaktiven IgG Antikörper weniger häufig Sialinsäuren in ihrem Fc-gekoppelten Zuckergerüst tragen. Entsprechend wird vermutet, dass solche IgG Antikörper ohne Sialinsäuren besser in der Lage sind Immunzellen zu aktivieren, um Viren und Bakterien anzugreifen. Impfstoffe, die Proteine beinhalten oder bilden, induzieren IgG Antikörper-produzierende langlebige Plasma-Zellen sowie Gedächnis B Zellen in sogenannten Keimzentren.

Die Wissenschaftler haben nun untersucht, wie sich verschiedene Adjuvantien auf die Art der Fc Verzuckerung der entstehenden IgG Antikörper auswirken und dabei herausgefunden, dass es diesbezüglich große Unterschiede zwischen den getesteten Adjuvantien gibt. Diese Unterschiede entstehen in den Keimzentren, wo verschiedene Adjuvantien unterschiedliche CD4+ T Zellantworten und B Zellantworten induzieren, die zu unterschiedlich verzuckerten IgG Antikörpern führen.

Neben verschiedenen Impfstrategien versuchen auch die Pathogene dem Immunsystem auf verschiedenste Weise zu entkommen. Weiterhin reagiert jeder Patient individuell auf eine Infektion. Diesbezüglich, erklärt Prof. Marc Ehlers, wird es nun spannend sein zu verfolgen, ob z.B. Patienten mit gar keinen oder milden Symptomen eine günstigere SARS-CoV-2-spezifische IgG Fc Verzuckerung zeigen als Patienten mit schweren Symptomen. Aber auch, ob die Bildung von zu extremen SARS-CoV-2-spezifischen IgG Antikörpern ohne Sialinsäuren im Fc Zuckergerüst zu inflammatorischen Nebenwirkungen in der Lunge beiträgt. Weiterhin sollte verfolgt werden, welche Auswirkungen verschiedene Impfstoff-Strategien gegen das SARS-CoV-2 Virus auf die IgG Antikörper-Verzuckerung haben werden.

An der Studie waren im Norden aus Lübeck weitere Mitarbeiter aus dem Labor von Prof. Marc Ehlers, IEM, sowie Dr. Johann Rahmöller von der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Prof. Hauke Busch vom LIED, Prof. Rudolf Manz vom ISEF und die Professoren Jens Habermann und Timo Gemoll von der Klinik für Chirurgie, Sektion für Translationale Chirurgische Onkologie und Biomaterialbanken, vom Forschungszentrum Borstel Alexandra Hölscher und Dr. Christoph Hölscher, von der Universität Kiel die Profs. Stefan Rose-John und Björn Rabe und vom UKE in Hamburg Prof. Samuel Huber und Dr. Anastasious Giannou beteiligt.

Publikation:
Bartsch YC*, Eschweiler S*, Leliavski A*, Lunding H*, Wagt S*, Petry J, Lilienthal G-M, Rahmöller J, de Haan N, Hölscher A, Erapaneedi R, Giannou AD, Aly L, Sato R, de Neef LA, Winkler A, Braumann D, Hobusch J, Kuhnigk K, Krémer V, Steinhaus M, Blanchard V, Gemoll T, Habermann J, Collin M, Salinas-Riesters G, Manz R, Korn T, Fukuyama H, Waisman A, Yogev N, Huber S, Rabe B, Rose-John S, Busch H, Berberich-Siebelt F, Hölscher C, Wuhrer M, and Ehlers M. IgG Fc sialylation is regulated during the germinal center reaction upon immunization with different adjuvants. J Allergy and Clinic Immunol. 2020 (https://doi.org/10.1016/j.jaci.2020.04.059)
* diese Autoren trugen in gleichem Maße zur Publikation bei; alphabetische Reihenfolge

Schematische Übersicht der Ergebnisse. Impfstrategien mit Protein-Antigenen und dem oft verwendeten Adjuvanz Aluminiumhydroxid (Alum) induzieren IgG Antikörper, die häufig Sialinsäuren in ihrem Fc-gekoppelten Zuckergerüst tragen. Stattdessen induzieren Wasser-in-Öl Adjuvantien oder zum Adjuvanz hinzugefügte tote Mycobakterien IgG Antikörper, die weniger häufig Sialinsäuren tragen. Die Entscheidung, welche Zuckerbausteine an die induzierten IgG Antikörper während ihrer Produktion in den B Zellen angeknüpft werden, findet in den Keimzentren (germinal centers) statt, wo Antigen-spezifische CD4+ T Zellen und B Zellen miteinander kommunizieren. (Abb.: Ehlers)

Die Beteilgten der Studie aus Lübeck, Borstel, Kiel und Hamburg