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Mittwoch, 02.05.2012

Forschung

Was Meeresschnecken mit Insulin zu tun haben

Einem neuen Ansatz gegen Diabetes auf der Spur

Kegelschnecken sind im Meer lebende Raubtiere. Sie lauern am Grund des Meeres kleinen Fischen auf und injizieren ihrer Beute durch einen Rüssel einen Giftcocktail, der sie lähmt. Die Einzelbestandteile dieser Gifte, die sogenannten Conopeptide, sind bekannt für ihre außergewöhnlichen pharmakologischen Eigenschaften und ihr pharmazeutisches Potenzial. So wird mit Ziconotid (Prialt) bereits ein Conopeptid als Schmerzmittel eingesetzt und stellt eines der ersten Medikamente überhaupt dar, die aus einem marinen Organismus stammen.

In Zusammenarbeit mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus Kanada und den USA haben Forscherteams der Universitäten Kiel, Lübeck und Göttingen jetzt die Wirkungsweise einer Substanz aus dem Giftcocktail der Kegelschneckenart Conus striatus untersucht. Dabei konnten sie zeigen, dass ein bestimmtes Peptid (Conkunitzin-S1) die Freisetzung von Insulin in Zellen der Bauchspeicheldrüse verändern kann. Die Ergebnisse dieser Studie sind kürzlich im Wissenschaftsmagazin EMBO Molecular Medicine erschienen.

„Dies könnte ein neuer Ansatz für die Behandlung von Typ-II Diabetes sein“, sagt Prof. Dr. Heinrich Terlau vom Physiologischen Institut der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. „Substanzen, die standardmäßig für die Behandlung von Typ-II Diabetes eingesetzt werden, wirken zum Teil unabhängig vom Blutzuckergehalt“, erklärt Terlau. Das könne zu einer Unterzuckerung, einer sogenannten Hypoglykämie, führen. „Das neuartige bei dieser Substanz ist, dass sie sehr spezifisch wirkt und aufgrund der Wirkungsweise die Wahrscheinlichkeit von Nebenwirkungen wie Unterzuckerung sehr gering ist“, so Terlau weiter.

Wenn durch die Nahrung Glukose aufgenommen wird, setzen die Zellen der Bauchspeicheldrüse Insulin frei und der Zucker im Blut wird wieder abgebaut. Bei Patientinnen und Patienten, die an Typ-II Diabetes erkrankt sind, ist dieser Mechanismus gestört und es kommt zu einer Überzuckerung des Blutes. Die neu entdeckte Substanz, das Conopeptid Conkunitzin-S1, bindet sich gezielt an einen bestimmten Kaliumkanal in den Zellen der Bauchspeicheldrüse und führt so zu einer kurzzeitig vermehrten Freisetzung von Insulin, allerdings nur dann, wenn der Zuckergehalt im Blut erhöht ist.

In Versuchen mit oralen Glukose-Toleranz-Tests an Ratten haben die Forscherinnen und Forscher herausgefunden, dass die Gabe von Conkunitzin-S1 zu keiner Unterzuckerung führt. Es treten also nicht die typischen Nebenwirkungen mancher herkömmlicher Medikamente auf. „Zur Zeit arbeiten wir daran, dass man das Peptid oral verabreichen kann “, ergänzt Terlau.

Aus dem Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie und Toxikologie der Universität zu Lübeck ist Prof. Dr. rer. nat. Walter Raasch an der Studie beteiligt.

Originalpublikation:

Finol-Urdaneta, R.K., Remedi, M.S., Raasch, W., Becker, S., Clark, R.B., Strüver, N., Pavlov, E., Nichols, C.G., French, R.J., and Terlau, H.: Block of Kv1.7 currents increases glucose-stimulated insulin secretion. EMBO Molecular Medicine, May 2012, Volume 4, Issue 5

http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/emmm.201200218/pdf 

Eine Kegelschnecke bei der Jagd: durch den langen Rüssel injiziert sie dem Fisch mit einem harpunenartigen Zahn einen Giftcocktail, der ihn lähmt [Abbildung aus: H. Terlau et al., Nature 381: 148 (1996). Copyright/Foto: Universität von Utah]