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Mittwoch, 11.10.2017

Forschung

Tuberkulose: Neuer Therapieansatz entdeckt

Dr. Tobias Dallenga (links) und Prof. Dr. Ulrich Schaible bei der Auswertung der Studienergebnisse (Foto: Weller/FZB)

Aufgrund der steigenden Anzahl antibiotikaresistenter Tuberkuloseerreger ist die Entwicklung alternativer Behandlungsmöglichkeiten von hoher Bedeutung

Wissenschaftler des Forschungszentrums Borstel konnten zeigen, dass durch eine gezielte Stärkung des menschlichen Abwehrsystems die Ausbreitung des Tuberkulosebakteriums Mycobacterium tuberculosis eingedämmt werden kann. Die Ergebnisse wurden im Fachjournal Cell Host & Microbe veröffentlicht.

Die Tuberkulose zählt zu den gefährlichsten Infektionskrankheiten für den Menschen. Allein im Jahr 2016 erkrankten laut WHO weltweit 10,4 Millionen Menschen an einer Tuberkulose – 1,7 Millionen starben an den Folgen der Infektion. Vor allem das Aufkommen mehrfach resistenter Varianten des Tuberkuloseerregers Mycobacterium tuberculosis stellt eine erhebliche, globale Herausforderung für unsere Gesundheitssysteme dar.

Patienten, die mit solchen Keimen infiziert sind, können nicht mehr mit den üblichen Antibiotika behandelt werden. Dadurch wird ihre Behandlungsdauer erheblich verlängert, die Nebenwirkungen werden verstärkt und die Sterberate erhöht. Es wurden bereits Tuberkulosefälle beschrieben, deren Erreger als total-resistent und damit als mehr oder weniger nicht mehr behandelbar eingestuft wurden.

Vielversprechendes Ziel für eine wirts-orientierte Therapie

Diese Situation zeigt, dass zusätzlich zu neuen Antibiotika dringend alternative Therapieansätze benötigt werden. Ein derzeit vielversprechender Ansatz ist die wirts-orientierte Therapie. Hierbei wird das Abwehrsystem des Patienten gezielt beeinflusst, um mögliche Gewebsschäden und Verschlechterungen der Krankheit abzumildern und gleichzeitig die Ausbreitung und Vermehrung der Tuberkulose-Bakterien einzudämmen.

Das Team um Dr. Tobias Dallenga und Prof. Dr. Ulrich E. Schaible aus der Forschungsgruppe Zelluläre Mikrobiologie am Forschungszentrum Borstel konnte zeigen, dass bestimmte menschliche Abwehrzellen, die sogenannten neutrophilen Granulozyten, ein vielversprechendes Ziel für eine wirts-orientierte Therapie darstellen. Sie spielen eine zentrale Rolle in der Krankheitsentwicklung und stellen den Zelltyp in der Lunge dar, der bei einer aktiven Tuberkulose am stärksten durch das Mycobacterium tuberculosis befallen ist. Die Tuberkuloseerreger schicken die befallenen Zellen in einen schnellen, entzündlichen Zelltod und nutzen dabei die Maschinerie der Granulozyten, Sauerstoffradikale zu bilden, aus.

Normalerweise bilden die Granulozyten Sauerstoffradikale und richten sie gegen Krankheitserreger, um diese abzutöten. Mycobacterium tuberculosis manipuliert die Granulozyten so, dass sie die Sauerstoffradikale nun gegen sich selbst richten und dadurch in den nekrotischen Zelltod geschickt werden. Durch das Abtöten der neutrophilen Granulozyten wird der Tuberkuloseerreger freigesetzt und kann – wenn er zusammen mit den toten Granulozyten von Makrophagen aufgenommen wird – in diesen Wirtszellen wachsen und diese ebenfalls töten.

Den Teufelskreis unterbrechen

Damit beginnt ein Teufelskreis zwischen Zelltod, Anlockung weiterer Wirtszellen und Wachstum der Bakterien, der zur Zerstörung des Lungengewebes und Aushusten infektiöser Tröpfchen führt. Das Borsteler Team konnte nun zeigen, dass die Hemmung des Zelltodes infizierter Granulozyten durch Unterdrückung der Sauerstoffradikalbildung den folgenden Wirtszellen hilft, das Wachstum der Erreger zu kontrollieren und so den Teufelskreis zu unterbrechen.

Das Forscherteam ist überzeugt, dass diese Ergebnisse die Grundlage für eine neuartige wirts-orientierte Therapie darstellen. „Durch diesen Therapieansatz wollen wir die verursachten Gewebeschäden eindämmen und so den Tuberkuloseerregern ihre Wachstumsgrundlage nehmen,“ so Prof. Ulrich Schaible, Leiter der Forschungsgruppe Zelluläre Mikrobiologie am Forschungszentrum Borstel und Mitglied im DZIF-Schwerpunkt Tuberkulose. „Dieser Therapieansatz könnte schon in greifbarer Nähe sein, da bereits Medikamente, die Granulozyten kontrollieren, auf dem Markt sind und diese nun auch bei der Behandlung der Tuberkulose eine neue Anwendung finden könnten.“

An der Universität zu Lübeck ist Prof. Dr. Ulrich Schaible Leiter des Master-Studiengangs Infection Biology.

Originalpublikation:
Dallenga, T, Repnik U, Corleis B, Eich J, Reimer R, Griffiths GW, Schaible UE  (2017) M. tuberculosis-Induced Necrosis of Infected Neutrophils Promotes Bacterial Growth Following Phagocytosis by Macrophages,  Cell Host & Microbe 22 (4) 519-530
doi.org/10.1016/j.chom.2017.09.003