Forschungsteam aus der Psychiatrie und Psychotherapie veröffentlichen Studie zu Auswirkungen verschiedener psychoaktiver Substanzen im Gehirn in der Fachzeitschrift Molecular Psychiatry.
Um Symptome von Menschen mit psychiatrischen Störungen zu lindern, hat ein Zusammenschluss von Forschenden im Rahmen einer lang angelegten Studie, an der die Universität Basel, Universität Barcelona und die Universität zu Lübeck beteiligt sind, die Wirkweisen von Psychedelika auf das Gehirn erforscht. Es ist seit langem bekannt, dass psychedelische Substanzen bei psychischen Erkrankungen helfen können, aber nicht risikofrei sind und dauerhafte negative Auswirkungen und möglicherweise sogar Psychosen verursachen können. Die Lübecker Forschenden untersuchten mittels funktioneller Magnetresonanztomographie (fMRT) die Auswirkungen verschiedener psychoaktiver Substanzen bei 25 gesunden Proband*innen, um die unterschiedlichen Wirkmechanismen eines prototypischen Psychedelikums (LSD), eines Stimulans (D-Amphetamin) und eines Entaktogens (MDMA) auf die Hirnkonnektivität besser zu verstehen. Die Ergebnisse wurden in der renommierten Fachzeitschrift Molecular Psychiatry veröffentlicht.
Dr. Mihai Avram, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie an der Universität zu Lübeck, ist der Erstautor der Studie und hebt hervor, welche Möglichkeiten in den Erkenntnissen stecken: „LSD, MDMA und d-Amphetamin üben sowohl gemeinsame als auch unterschiedliche Effekte auf verschiedene Neurotransmittersysteme aus. Unsere Studie zeigt, dass sich dies in den von uns beobachteten Veränderungen der Gehirnkonnektivität widerspiegelt. Mithilfe der funktionellen Magnetresonanztomographie können wir so Einblicke in die zugrunde liegenden neurobiologischen Mechanismen gewinnen, die wiederum neues Potenzial für therapeutische Ansätze bieten.“
25 gesunde Freiwillige nahmen an der Studie teil und erhielten entweder LSD, MDMA, Amphetamine oder ein Placebo ohne Wirkweise. Dabei konnten die Forschenden feststellen, dass LSD ein Netzwerk im Gehirn ausschaltet, das mit dem Selbst zu tun hat und beispielsweise Tagträume und Zukunftspläne steuert (das sogenannte „Default Mode Netzwerk“). Das Bewusstsein von Einigkeit wird dadurch gestärkt. Obwohl MDMA oft als „atypisches Psychedelikum“ beschrieben wird, konnte das in der aktuellen Studie nicht bestätigt werden. Vielmehr stellten die Forschenden fest, dass MDMA in seiner Wirkweise d-Amphetamin ähnelt, vielleicht aufgrund ihrer strukturellen Gemeinsamkeiten und ihrer vergleichbaren Wirkung auf bestimmte Neurotransmitter.
Prof. Dr. Stefan Borgwardt, Direktor der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie am Zentrum für Integrative Psychiatrie (ZIP) des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein, Campus Lübeck, sowie Professor für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität zu Lübeck, ist sich sicher, dass die Forschung an psychedelischen Substanzen langfristig zu neuen Therapeutika führen wird: „Psychedelika-Studien zeigen kurz- und mittelfristige Effekte bei der Behandlung psychiatrischer Erkrankungen. Insbesondere in der Kombination von Psychedelika-Applikation und Psychotherapie, der sogenannten Psychedelika-assistierten (Psycho-)Therapie, scheint großes klinisches Potenzial bei bisher therapieresistenten Patientinnen und Patienten zu liegen.
Über die Studie
Bei der klinischen Studie wurde ein doppelblindes, placebokontrolliertes Crossover-Design verwendet. Dabei wurden verschiedene Maße der Konnektivität, d.h. die Art, wie verschiedene Bereiche des Gehirns miteinander „kommunizieren“ und Informationen austauschen, im Ruhezustand untersucht, darunter die Konnektivität innerhalb von Netzwerken (Integrität), die Konnektivität zwischen Netzwerken (Segregation), die Seed-basierte Konnektivität von Ruhezustandsnetzwerken und die globale Konnektivität. Im Vergleich zu Placebo lösten die Substanzen sowohl einzigartige als auch gemeinsame Effekte auf die Netzwerkkonnektivität aus, wobei LSD zu einem stärker integrierten Gehirnzustand führte als die Amphetamine.
Da Psychedelika und Stimulanzien in der Neurowissenschaft und der psychischen Gesundheitsforschung zunehmend an Aufmerksamkeit gewinnen, tragen die Ergebnisse zu einem besseren Verständnis der besonderen neurobiologischen Wirkungen von Psychedelika bei und geben Anlass zur weiteren Erforschung ihres therapeutischen Potenzials.
Originalpublikation
Weiterführende Informationen in einem Blogpost des Erstautors: Behind the Paper. https://go.nature.com/4gjr098
Kontaktinformationen
Dr. Mihai Avram
Translationale Psychiatrie
Zentrum für Integrative Psychiatrie ZIP gGmbH
Universität zu Lübeck
Email: mihai.avram(at)uni-luebeck(dot)de
für die Ukraine