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Montag, 06.03.2006

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Starke Unterstützung für die Selbständigkeit der Universität zu Lübeck

Wirtschaftsunternehmen, Kammern und Stiftungen zur geplanten Neuordnung der schleswig-holsteinischen Universitäten

Starke Unterstützung für den Erhalt ihrer Selbständigkeit erhält die Universität zu Lübeck von Wirtschaftsunternehmen, Kammern und Stiftungen der Hansestadt und benachbarter Gemeinden.

Seit Bekanntwerden der Eckpunkte des Ministeriums für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr des Landes Schleswig-Holstein zu einer Neufassung des Hochschulgesetzes und eines möglichen Verlustes der Selbständigkeit der Lübecker Universität am 28. Oktober vergangenen Jahres hat das Rektorat der Universität Vertreterinnen und Vertreter der Bereiche Politik, Wirtschaft und Kultur zu mehreren "Runden Tischen" in die Universität eingeladen. Bei diesen Beratungen und Gesprächen wurde immer wieder deutlich, welche gravierenden Auswirkungen der Wegfall einer eigenständigen Universität in Lübeck für die Stadt, die Region und das Land haben würde.

Unternehmen, IHK und Kaufmannschaft der Hansestadt Lübeck fürchten Image- und Kooperationsverluste sowie das Versiegen der Technologietransferleistungen am Biomedizintechnologie- und Medizininformatik-Standort Lübeck. Die Stiftungen weisen darauf hin, dass weitere Unterstützungen der Universität bei Verlust ihrer Selbständigkeit nicht möglich sind, insbesondere dann, wenn ihre Satzungen und ihr Stiftungszweck ausschließlich auf die Hansestadt Lübeck und nicht auf das Land Schleswig-Holstein bezogen sind.

Im Folgenden sind Auszüge aus den Stellungnahmen der Drägerwerk AG, der Euroimmun AG, der ESKA Implants GmbH & Co., der Industrie- und Handelskammer und der Kaufmannschaft zu Lübeck, der Possehl-Stiftung, der Gemeinnützigen Stiftung Sparkasse zu Lübeck und der Gesellschaft zur Beförderung gemeinnütziger Tätigkeit in Lübeck dokumentiert:

Drägerwerk AG
"Die Region Lübeck ist von der vorigen wie von der jetzigen Landesregierung als Zentrum der Medizintechnik in Schleswig-Holstein bezeichnet und entsprechend begleitet worden. Es hat sich ein Cluster oder Netzwerk entwickelt, das in dieser Ausprägung wohl einmalig ist. Die tragenden Säulen dieses Netzwerkes sind die Universität zu Lübeck mit der Medizinischen und der Technisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät sowie dem Universitätsklinikum Schleswig-Holstein Campus Lübeck, die Fachhochschule Lübeck und die Medizintechnikindustrie in der Region Lübeck. (...) Der Nucleus der Medizintechnik-Region Lübeck ist die Universität zu Lübeck. (...) Für Unternehmen der Medizintechnik in der Region Lübeck ist von besonderer Bedeutung die direkte Zusammenarbeit mit der Universität im Rahmen von Diplomarbeiten, Projekten, Arbeitsgruppen, Praktikantenarbeiten und der regelmäßige Informations- und Gedankenaustausch."
(Friedrich Richter, Beauftragter des Vorstandes der Drägerwerk AG)

EUROIMMUN - Medizinische Labordiagnostika AG
"Wir halten eine Fusion der Universitäten Kiel und Lübeck (...) für einen Rückschlag in der Entwicklung beider Städte und für eine große Benachteiligung unseres Unternehmens. EUROIMMUN und andere betroffene Firmen würden mit Sicherheit nach Alternativen Ausschau halten und den Standort Lübeck nicht mehr im geplanten Umfang weiterentwickeln. Unter so ungünstigen Voraussetzungen würde in Lübeck auch niemand so schnell einen neuen wissenschaftlich orientierten Betrieb gründen. (...) würden einige Fächer nur noch in einer der beiden Universitäten vertreten, müssten entweder die Studenten oder die Dozenten zwischen zwei Städten pen-deln, die noch dazu verkehrstechnisch völlig unzureichend miteinander verbunden sind. Eine solche Belastung nähmen nur Studierende oder Lehrer auf sich, die anderswo keine Chance haben, immatrikuliert oder beschäftigt zu werden. Mindestens die Lübecker Universität, für deren schrittweise Etablierung fähige Persönlichkeiten jahrzehntelang viel Mühe aufgewendet haben, würde wieder zu einer zweitklassigen Einrichtung verkommen."
"Die Firma EUROIMMUN ist sicher ein gutes Beispiel dafür, dass von einer anerkannten Hochschule erfolgreiche Wirtschaftsunternehmen ausgehen können. (...) Heute sind bei EUROIMMUN 500 Mitarbeiter beschäftigt, 350 davon in Lübeck und Groß Grönau."
"Dass ich überhaupt aus dem Süden Deutschlands den Weg nach Lübeck gefunden habe, ist ausschließlich der Existenz einer vollwertigen Medizinischen Hochschule, so die damalige Bezeichnung, zu verdanken. (...) An einer zweitklassigen Einrichtung, etwa der Filiale eines Kieler Instituts, hätte ich mich seinerzeit keinesfalls beworben. Auch bei der Gründung der Firma EUROIMMUN vor 19 Jahren war die unmittelbare Nähe der Medizinischen Universität Lübeck eine conditio sine qua non, aus mehreren Gründen: Zum einen war es mir möglich, meine wissenschaftliche Arbeit der vorausgegangenen sieben Jahre eine Zeit lang an der alten Wirkungsstätte fortzusetzen, parallel zum Aufbau des Unternehmens, zum anderen kommen uns zahlreiche wichtige Kooperationen und der wissenschaftliche Austausch mit kompetenten Wissenschaftlern der Universität Lübeck zugute, und schließlich fällt es uns leicht, qualifizierte Mitarbeiter zu akquirieren, da sich viele Abgänger der Fachhochschule und der Universität bei uns bewerben - die meisten unserer fast einhundert Akademiker entstammen diesen Einrichtungen."
"Sollten die Lübecker Universität und die Fachhochschule an Bedeutung verlieren, müssten wir für den weiteren Ausbau anderen Standorten den Vorzug geben, nämlich unseren Filialen in Sachsen, wo sich als Alternativen die Technischen Universitäten in Dresden und Zittau anbieten, oder in Nordbayern, in der Nachbarschaft der Universität Erlangen-Nürnberg, wo wir ebenfalls bereits etabliert sind."
"Fördern Sie die Qualität der Schleswig-Holsteinischen Hochschulen, indem Sie ihnen Konkurrenz verschreiben. Solange zwei Institute oder Kliniken miteinander wetteifern, wird sich ihre Leistungsfähigkeit steigern, besonders wenn eine echte Wettbewerbssituation vorliegt. (...) Wenn Sie dagegen wieder Monopole etablieren, können Sie gleich die Wartebereiche der Patienten vergrößern lassen. (...) Der Monopolist braucht sich nicht mehr anzustrengen, das ist wie ein Gesetz!"
(Dr. med. Winfried Stöcker, Vorsitzender des Vorstands der EUROIMMUN AG)

ESKA Implants GmbH & Co.
"Aus unserer Historie können wir darauf verweisen, dass wir, seit Professor Henßge 1970 den Lehrstuhl für Orthopädie in Lübeck innehatte, Bestandteil des heutigen Universitätsklinikums Schleswig-Holstein geworden sind und dass aus der Zusammenarbeit zwischen Medizinern und Technikern eine mittelständische Unternehmensgruppe mit nahezu 400 Mitarbeitern (Arbeitsplätzen) geworden ist."
"Lübecks individuelles hohes Potential bietet die Grundlage für eine niveauvolle, effektive und praxisnahe Ausbildung von Studenten und Ärzten, aber auch die Basis für praxisorientierte Forschung. Wir sichern und brauchen die räumliche Nähe zu Technologie und medizinischer Innovation und sehen unsere Aufgabe in der Umsetzung innovativer Medizinprodukte speziell in den Bereichen Tumorchirurgie und Endoprothetik. (...) Deshalb ist die Nähe zur Hochschule unbezahlbar."
(Dr. Hans Grundei, Firmengründer ESKA Implants)

Industrie- und Handelskammer zu Lübeck
"Im Förderranking der Deutschen Forschungsgesellschaft (DFG) zählt die Universität Lübeck zu den bewilligugsstärksten Universitäten bundesweit. Bei der Drittmitteleinwerbung, Anzahl der DFG-Gutachter, Zentralität in Netzwerken DFG-geförderter Programme und Publikationen in internationalen Zeitschriften rangiert Lübeck unter den Top 10."
"Die Universität zu Lübeck ist hervorragend mit der regionalen Wirtschaft verknüpft. (...) Die IHK weiß aus eigener Erfahrung, dass zahlreiche Unternehmen auf die FuE-Kapazitäten der Hochschule zurückgreifen und so ihre Wettbewerbsfähigkeit sichern. Es gäbe in Lübeck keine Ausgründungen/Gründungen mit einem hohen technologischen Potential ohne die Universität. Nur diese Unternehmen sichern eine weltweite technologische Führung und schaffen hochqualifizierte Arbeitsplätze."
"Gleiches gilt für Produkte, die in Kooperation zwischen Unternehmen und Universität entwickelt werden. (...) Ein positives Beispiel lässt sich z. B. aus dem Bereich der Technischen Informatik anbringen, wenn ein Unternehmen ein Software-Tool entwickelt, auf das wissenschaftliche Know-how der Universität zurückgreift und diese anschließend als Referenzkunde auftritt."
"Das Multifunktions Center (MFC) auf dem Innovations Campus Lübeck ist überwiegend mit Firmen aus dem Bereich Medizintechnik und Biotechnologie besetzt, ein gutes Beispiel für den Technologie- und Wissenschaftstransfer aus der Universität in die Region. Industrielle Kontakte über FuE-Projekte zu Unternehmen wie Dräger AG, Euroimmun AG und zur Ethicon GmbH stärken die Region, reichen aber auch über sie hinaus, z. B. nach Hamburg, Kiel oder Wismar."
"Die Wirtschaft schätzt die Universität wie auch das Universitätsklinikum ebenfalls als Nachfrager für Beschaffungen und Dienstleistungen, so betrug im Jahr 2004 allein im PLZ-Gebiet 23 dieser Umsatz 18,5 Mio. Euro."
"Eine selbständige Universität zu Lübeck wird darum von den Unternehmen dieser Region besser als eigenständiger Gesprächs- und Projektpartner akzeptiert als eine unselbständige Zweigstelle einer Universität in der Landeshauptstadt. Die Wirtschaft unserer Region benötigt regional verankerte Hochschulen der kurzen Wege mit hohem Forschungsoutput, wie sie jetzt durch die Universität und die FH Lübeck gegeben sind."
"Deutschlands Hochschulen stehen vor großen Herausforderungen wie:
- Größere Freiheit und Flexibilität
- Konkurrenz (national und international)
- Differenzierung und Profilbildung
Die Erichsen-Kommission hat vor gut zwei Jahren das hiesige Hochschulsystem mit großem Aufwand analysiert und ein weiteres Mal festgestellt, dass das Hochschul- und Wissenschaftssystem vor drei grundsätzlichen Problemen steht:
- Unterfinanzierung
- Unterdimensionierung (d. h. zu wenig Studienplätze)
- Bürokratisierung (d. h. insbesondere staatliche Überregulierung)
Alle Aktivitäten des Landes und der Hochschulen sollten daher an ihrem Lösungsbeitrag zu diesen oben genannten sechs Herausforderungen gemessen werden. Eine Fusion der drei Universitäten zu einer Landesuniversität liefert dazu keinen Lösungsbeitrag. Sie wird nur die Bürokratisierung fördern, die Profilbildung verhindern und die Flexibilität weiter schmälern."
"Die Entfesselung bzw. die Vergrößerung der Selbständigkeit der Universität Lübeck wird als erster und wichtigster Schritt in Richtung einer erfolgreichen Bearbeitung der oben genannten sechs Herausforderungen angesehen."

Kaufmannschaft zu Lübeck
"Bildung, Forschung und Entwicklung, besonders in den Bereichen Medizintechnik und Biotechnologie, sind in Lübeck optimal vernetzt. Einrichtungen wie das Technik-zentrum oder das Multifunktionscenter im Innovationscampus bilden die Schnittstellen für diese Vernetzungen im Bereich der "Life Science"."
"Die Unternehmen der Medizintechnik in Lübeck und der Region sind auf eine eigenständige Universität Lübeck mit einer starken Kompetenz im Bereich der Medizintechnik und Medizininformatik angewiesen. (...) Auch die Auswirkungen auf die regionale Wirtschaftsstruktur sind noch völlig unklar. Es zeichnet sich jedoch schon jetzt eine deutliche Tendenz ab, dass sich Unternehmen aus der Region Lübeck für die Zusammenarbeit anderweitige Hochschulen, vornehmlich in Mecklenburg-Vorpommern, aussuchen."
(Lutz Kleinfeldt, Präses, und Nicolaus Lange, Geschäftsführer der Kaufmannschaft zu Lübeck)

Possehl-Stiftung
"Der Stiftungsvorstand beobachtet mit Sorge die diesbezüglichen Pläne des Wirtschaftsministeriums des Landes Schleswig-Holstein, stellen sie doch das Ergebnis einer langjährigen Förderung der Universität Lübeck durch die Possehl-Stiftung in der Vergangenheit, aber auch für die Zukunft in Frage."
"Die Possehl-Stiftung hat die Universität bei vielen Forschungs- und Pilotprojekten, auch des Landes Schleswig-Holstein, mit Millionenbeträgen unterstützt. Dies gilt auch für die Informatik und die Stiftungsprofessuren am An-Institut der Universität, der International School of New Media, ISNM. Wenn die Possehl-Stiftung die Universität Lübeck in dem genannten Bereich gefördert hat, so geschah dies u.a. in dem Willen, die Universität als Standortfaktor für Lübeck zu sichern und auszubauen und die hervorragende Leistung der Universität Lübeck in Forschung und Lehre zu fördern. Nicht zuletzt war mit der Förderung der Possehl-Stiftung auch die Absicht verbunden, hervorragende Wissenschaftler an der Universität zu halten bzw. diese für Lübeck zu gewinnen, um damit gleichzeitig weitere Arbeitsplätze zu sichern und aufzubauen."
"Dass sich der Vorstand der Possehl-Stiftung insbesondere auch deswegen veranlasst gesehen hat, die Universität Lübeck bevorzugt zu fördern, liegt in der wachsenden Kooperation zwischen der Universität Lübeck, der Fachhochschule Lübeck und der regionalen Wirtschaft begründet. (...) Dass der Standortvorteil einer Universität Lübeck eine wesentliche Motivation für die Drägerwerk AG, Bereich Medizintechnik, ist, ihren Standort in Lübeck nicht nur zu erhalten, sondern weiter auszubauen, sei ergänzend erwähnt."
"Die Possehl-Stiftung ist aufgrund der satzungsrechtlichen Vorschriften, die der Stifter bewusst vorgegeben hat, verpflichtet, die von der Unternehmensgruppe Possehl erwirtschafteten, an die Possehl-Stiftung ausgeschütteten Erträge ausschließlich für Projekte in der Hansestadt Lübeck zu verwenden. Wenn zukünftig eines Landesuniversität Schleswig-Holstein entsprechende Förderanträge an die Possehl-Stiftung richten sollte, werden sich für den Stiftungsvorstand nicht nur erhebliche satzungsrechtliche Bedenken ergeben, ob nach den Vorgaben des Stifters eine Förderung in dem bisherigen Umfang möglich sein wird. Unabhängig davon wird der Stiftungsvorstand, der nach pflichtgemäßem Ermessen über die Verwendung der für Stiftungszwecke zur Verfügung stehenden Gelder zu entscheiden hat, möglicherweise auch im Hinblick auf das Strategiepapier "Zukunft Lübeck" keine Veranlassung mehr sehen, eine in Kiel ansässige Landesuniversität zu fördern."
"Aufgrund der zahlreichen Kontakte des Stiftungsvorstands mit der Öffentlichkeit beobachten wir mit Sorge, dass sich nicht nur bei Professoren und aufstrebenden jungen Wissenschaftlern, sondern auch im Personalbereich der Universität große Verunsicherung ausbreitet, die zur Vermeidung weiteren Schadens baldmöglichst beseitigt werden muss."
(Dr. Helmuth Pfeifer, Vorsitzender der Possehl-Stiftung)

Gemeinnützige Stiftung Sparkasse zu Lübeck
Gesellschaft zur Beförderung gemeinnütziger Tätigkeit in Lübeck
"Eine Beendigung der Selbständigkeit der Universität zu Lübeck würde der bisher ständig weiter gewachsenen erfreulichen Einbindung der Universität in die Hansestadt Lübeck zuwiderlaufen. Sie wäre für beide Seiten schädlich und demotivierend. Sollte es noch weitere sinnvolle finanzielle Einsparungsmöglichkeiten durch Verbesserung der Zusammenarbeit der drei Schleswig-Holsteinischen Universitäten geben, dann müssen sie genutzt werden. Dieses müsste aber auch bei Erhaltung der vollen Selbständigkeit der Universität zu Lübeck zu verwirklichen sein. In der Vergangenheit haben sowohl die Gemeinnützige Stiftung Sparkasse zu Lübeck als auch die Gemeinnützige im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten und durch Einflussnahmen verschiedenster Art die Entwicklung der Universität zu Lübeck unterstützt. (...) Sollte die Universität zu Lübeck durch Verschmelzung zu einer Zweigniederlassung einer Landesuniversität Schleswig-Holstein mit Sitz in Kiel herabgestuft werden, dann gäbe es für eine weitere Förderung durch die Stiftung und die Gemeinnützige künftig keinen Raum mehr."
(Helmut Wischmeyer, Vorsitzender des Vorstandes der Gemeinnützigen Stiftung Sparkasse zu Lübeck und Direktor der Gesellschaft zur Beförderung gemeinnütziger Tätigkeit in Lübeck)