Prof. Dr. Joachim Breuer bekleidet die Professur auf dem neu gegründeten Lehrstuhl für Versicherungsmedizin der Universität zu Lübeck
Am 18. Juni hält er seine Antrittsvorlesung an der Universität mit dem Titel „Gesund ist nicht genug - Was Return-to-Work-Programme leisten“. Primärstifter des im Oktober vergangenen Jahres eingerichteten Lehrstuhls ist der berufsgenossenschaftliche Verein für Heilbehandlung Hamburg, Träger der berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik in Hamburg.
Der Begriff der Versicherungsmedizin in Deutschland ist nicht neu, sondern erhielt im Zuge der Gründung und des Aufbaus der Sozialversicherungssysteme im Deutschen Reich Ende des 19. Jahrhunderts Eingang in die Medizin. In der jüngeren Geschichte wurde der Begriff der Versicherungsmedizin faktisch verdrängt, erfährt aber mittlerweile wieder eine Wiederbelebung. Ärzte und Institute wenden sich diesem Begriff wieder zu – allerdings hauptsächlich im Sinne der Begutachtung.
Wenige universitäre Lehrstühle in Deutschland binden die Versicherungsmedizin als Aufgabengebiete in ihre Institute für Arbeits- und Sozialmedizin ein. In vielen Staaten der Welt spielt die Versicherungsmedizin hingegen eine wichtige, wenn nicht gar zentrale Rolle in der Sozial- und Gesundheitspolitik. Die „Insurance Medicine“ als verknüpfendes Merkmal von Medizin, Ökonomie und Soziologie spielt dabei, im Zusammenhang mit den rechtlichen und politischen Einflüssen und Möglichkeiten, eine wichtige Rolle.
Verzettelte Diskussion im Gesundheitswesen wieder ganzheitlich führen
Dementsprechend hat auch im europäischen Ausland die Versicherungsmedizin eine größere Bedeutung als in Deutschland. Die Universität Budapest unterhält beispielsweise ein Institut für Rechts- und Versicherungsmedizin; an der Universität Basel hat sich die Academy of Suisse Insurance Medicine (ASIM) gegründet, in welcher versicherungsmedizinische Dienstleistungen in Lehre und Forschung stattfindet. Vor dem Hintergrund der unterentwickelten Präsenz der Versicherungsmedizin in Deutschland wurde der Lehrstuhl für Versicherungsmedizin an der Universität zu Lübeck gegründet, zunächst tätig in der Forschung, später auch in der Lehre.
Prof. Dr. Joachim Breuer, geboren 1956, studierte Rechtswissenschaften in Bonn und Berlin. 1985 Promotion zum Dr. jur. an der Universität Bonn. 1990 Referent für Arbeits- und Sozialfragen im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft. 1995 Direktionsabteilung des Hauptverbands der gewerblichen Berufsgenossenschaften (HVBG). 1995 - 2002 Hauptgeschäftsführer der Bergbau-Berufsgenossenschaft Bochum. 2002 - 2018 Hauptgeschäftsführer der HVBG (jetzt: Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung – DGUV).
Prof. Breuer ist Präsident der Internationalen Vereinigung für Soziale Sicherheit (IVSS) und des Club de Genève - Global Social Future in der Schweiz, Co-Präsident des International Disability Management Standards Council (IDMSC), Kanada, Mitglied des Vorstands des Europäischen Forums Unfallversicherung (FORUM) und der Pacific Coast University (PCU), Kanada, Senatsmitglied im Senat der Wirtschaft Deutschland e. V., Vorstandsvorsitzender der ZNS Hannelore-Kohl-Stiftung und der Gesellschaft für Versicherungswissenschaft und -gestaltung (GVG) sowie Mitglied des Aufsichtsrats der Medical Park AG und des Kuratoriums der APOLLON-Hochschule Bremen.
Sein persönliches Credo lautet: „Es ist dringend notwendig, die verzettelte und kleinteilige Diskussion im Gesundheitswesen wieder ganzheitlich auf der Grundlage von Strukturen und Philosophien zu führen.“
Hohes Forschungspotential und praktischer Versorgungsnutzen
Der Begriff der Versicherungsmedizin, so seine Überzeugung, muss wesentlich weiter erfasst und verstanden werden als nur im Wege der Begutachtung und deren Qualität. In den heutigen gesellschaftlichen und sozialen Ebenen haben exogene Faktoren, wie Arbeits- und Lebensweisen und deren dazugehörige sozialen Sicherungsstrukturen, zunehmend Einfluss und Steuerungswirkung im Falle von Krankheiten und Verletzungen. Im modernen Verständnis des Begriffes der Versicherungsmedizin zeigt sich die hohe Anforderung an Interdisziplinarität und Systemverständnis der sozialen Sicherungsstrukturen. Es geht in diesem wissenschaftlichen Bereich um ein zur Medizin gehöriges, weil unmittelbar mit ihr verknüpftes Aufgabengebiet, mit durchaus potenziellen Auswirkungen auf Therapie und Behandlungsmethodik, ohne diese aber selber anzuwenden oder durchzuführen.
Angesichts der außergewöhnlich hohen wissenschaftlichen und politischen Aufmerksamkeit des Gebietes der Versicherungsmedizin in den verschiedenen Sicherungsbereichen der privaten und sozialen Versicherung wird es unproblematisch sein, eine dauerhafte Finanzierung des Lehrstuhls zu erreichen.
Die Ausgangssituation in Lübeck sieht Prof. Breuer als einzigartig, da alle Partnerstrukturen vorhanden und alle Versorgungsträger einschließlich der Berufsgenossenschaftlichen Klinik in der Unfallchirurgie ebenso wie alle wichtigen Disziplinen in der Sozialmedizin und den Gesundheitswissenschaften vertreten sind. Insbesondere das System der gesetzlichen Unfallversicherung, das in Lübeck durch die stationäre Anbindung einer eigenen unfallchirurgischen Station hohes Forschungspotential und praktischen Versorgungsnutzen platziert hat, wird von Bedeutung für die Ausgestaltung des Lehrstuhls sein.
In seiner Antrittsvorlesung am 18. Juni (17 Uhr s.t. im Audimax 4) untersucht er die Notwendigkeit und Wirksamkeit von Return-to-Work-Programmen zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung - auch im internationalen Kontext - sowie deren Auswirkung auf die medizinische Behandlung.
für die Ukraine