Amerikanische Zeitschrift zeichnet Lübecker Projekt zur Biomedizinischen Optik als eine der aufregendsten Neuerungen des letzten Jahres aus
Die Publikation „High definition live 3D-OCT in vivo: design and evaluation of a 4D OCT engine with 1 GVoxel/s" von Wolfgang Wieser aus der Gruppe von Prof. Robert Huber, Institut für Biomedizinische Optik der Universität zu Lübeck, wurde von der Zeitschrift "Optics & Photonics (OPN) News", dem monatlichen Magazin der Optical Society of America (OSA), als eines der Optik-Highlights des Jahres 2014 ausgezeichnet. OPN zeichnet damit Forschungsarbeiten im Bereich Optik aus, die sie zu den aufregendsten Neuerungen im letzten Jahr zählt. Der Artikel, der das weltschnellste Echtzeit-4D-OCT-System beschreibt, wurde zuvor bereits von der OSA zum Spotlight-Artikel ausgewählt.
Optische Kohärenztomographie (OCT) ist ein 3D-Bildgebungsverfahren, ähnlich der Ultraschall-Bildgebung, jedoch mit Licht: Mit Hilfe eines Lasers wird eine meist biologische Probe abgerastert und das zurückreflektierte Licht detektiert. Dabei wird interferometrisch erfasst, wie viel Licht in welcher Tiefe der Probe reflektiert wird. So lassen sich dreidimensionale Bilder erstellen mit einer Tiefen-Auflösung von typischerweise 10-20 µm. Die OCT findet bereits jetzt umfangreiche Anwendung in der Medizin. In der Augenheilkunde zur Diagnose von Netzhaut-Erkrankungen und zur Kontrolle des Behandlungserfolges ist die OCT bereits jetzt eines der wichtigsten Geräte. In der Kardiologie erfolgt zunehmen das Setzten von sogenannten Stents nach Planung und unter Kontrolle durch OCT-Bildgebung. Viele weitere OCT-Anwendungen werden derzeit aktiv beforscht, wobei zunehmend die Auswertung der Phasen-Information des rückgestreuten Lichts, die mit OCT ebenfalls gemessen wird, eine Rolle spielt.
Herausragende Forschungs- und Entwicklungsarbeit auf mehreren Gebieten waren nötig, um das weltschnellste Echtzeit-4D-OCT-System zu realisieren. Dabei handelt es sich um einen OCT-Aufbau, welcher in der Lage ist, viele ganze Volumina pro Sekunde abzutasten und als kontinuierliches 3D-Video in Echtzeit auf dem Bildschirm darzustellen. Die Bezeichnung "4D" drückt dabei aus, dass ein OCT-Datensatz erfasst wird, der sich über die drei Raumdimensionen und die Zeit erstreckt. Die besondere technologische Herausforderung besteht dabei in der notwendigen großen Geschwindigkeit bei Abtastung, Detektion, Datenerfassung, Datenberechnung und Darstellung.
Als Lichtquelle diente ein speziell entwickelter Wellenlängen-abstimmbarer FDML-Laser, der im nahen Infrarot mit einer Rate von 3.2 MHz über 100nm abgestimmt werden kann - das ist 32mal schneller als die derzeit schnellsten kommerziellen OCT-Geräte. Das Detektions-Signal aus dem Interferometer wurde mit 2 abwechselnd parallel arbeitenden Datenerfassungskarten abgetastet, die einen kontinuierlichen Datenstrom von über 2 GBytes/s erzeugten. Mittels von den Forschern (insbes. Wolfgang Draxinger) eigens entwickelter massiv paralleler Software werden auf 1536 Stream-Prozessoren einer Grafikkarte (GPU) die 2 GBytes/s Rohdaten in Echtzeit in Tomographie-Daten umgerechnet und von einer weiteren GPU anschließend mittels hochqualitativem Ray-Casting dargestellt.
Auf diese Art und Weise gelang es den Forschern, ein OCT-System zu realisieren, das in der Lage ist, eine Milliarde 3D-Elemente pro Sekunde zu erfassen und darzustellen -- in Echtzeit und beliebig lange. Das ist derzeit Weltrekord. Das verwendete Scan-Protokoll erzeugte 3D-Volumina mit einer Größe von 320 x 320 x 400 Voxel (3D Analogon zu Pixel in 2D) bei einer flimmerfreien Volumen-Rate von 26 Hz (siehe Video). Ein alternatives Scan-Protokoll erlaubte es, "Zeitlupen"-OCT zu realisieren, indem ein halb so großes Volumen mit über 50 Hz abgetastet wurde und anschließend mit 25 Hz bei halber Geschwindigkeit dargestellt wurde.
Die Arbeiten eröffnen völlig neue Anwendungsfelder aber auch grundlegend neue Bildgebungsansätze. Für die OCT werden nun erstmals Anwendungen wie die Live-Einblendung einer „Virtual Reality (VR)“-Überlagerung in Operationsmikroskopen denkbar, so dass bei chirurgischen Eingriffen auf Knopfdruck Strukturen unter der Oberfläche live dargestellt werden können, wodurch sich viele Ärzte eine erhöhte Sicherheit erwarten.
Im Bereich Grundlagen-orientierter Optik-Forschung könnte das System nun die Möglichkeit eröffnen, mit einem konfokalen, scannenden Mikroskopie-System holographische Informationen der Probe in vivo zu gewinnen. Durch die hohe Abtastgeschwindigkeit ist die Bewegung der Probe selbst im in vivo Einsatz so gering, dass die relative optische Phase des zurückgestreuten Lichtsignals über den gesamten Bildbereich gemessen werden könnte. Damit werden Ansätze möglich, wie sie aus der digitalen Holographie oder Holoscopy bekannt sind: die numerische Korrektur von Linsenfehlern, das numerische Wählen der Bildebene (Scharfstellen), die künstliche Verlängerung der Schärfentiefe uvm.
Insgesamt ist das bereits der zweite Artikel der Forschungsgruppe, der für "Optics of the Year" ausgewählt wurde (nach „Multi-Megahertz OCT“ als Optics in 2010) und die dritte Auszeichnung als "Spotlight on Optics".
Kontakt:
Wolfgang Wieser
Lehrstuhl für BioMolekulare Optik
Ludwig-Maximilians-Universität München
Oettingenstr. 67
80538 München
Prof. Dr. Robert Huber
Institut für Biomedizinische Optik
Universität zu Lübeck
Peter-Monnik-Weg 4
23562 Lübeck
Videos:
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