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Montag, 28.02.2000

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Neues Therapieverfahren bei Makuladegeneration

Lübecker Universitäts-Augenklinik führte ersten klinischen Einsatz der photodynamischen Therapie durch

Für die altersbezogene Makuladegeneration steht ein neues Therapieverfahren unmittelbar vor der Einführung. Es handelt sich um die photodynamische Therapie (PDT), bei der sich der injizierte Farbstoff Verteporfin in den krankhaft neugebildeten Blutgefäßen der Netzhaut anreichert und durch eine Laserbestrahlung aktiviert wird. Damit wird ein kompletter Verschluss der Gefäßpathologien erzielt, ohne dass gesunde Netzhautstrukturen in unmittelbarer Nachbarschaft der erkrankten Areale geschädigt werden. Bei einem weltweit ersten klinischen Einsatz der Methode haben Wissenschaftler der Universitäts-Augenklinik Lübeck (Direktor Prof. Dr. med. Horst Laqua) die PDT bei 97 Patienten mit einer ausgedehnten Gefäßneubildung im Netzhautzentrum und schon fortgeschrittenem Sehkraftverlust mit Erfolg durchgeführt. Erstmals wurde dabei gezeigt, dass ein weiterer Verlust des Sehvermögens aufgehalten werden konnte und der bei der konventionellen Laserbehandlung (Laserkoagulation) sonst typische zusätzliche Netzhautschaden nicht auftrat. In Zusammenarbeit mit der Harvard Medical School, Boston, und der Johns Hopkins Universität, Baltimore, wurde eine sichere, nebenwirkungsfreie Behandlungsdosis bestimmt. Die Lübecker Untersuchungen auf diesem Gebiet wurden von Priv.-Doz. Dr. med. Ursula Schmidt-Erfurth in enger Kooperation mit dem Medizinischen Laserzentrum Lübeck geleitet.

Langzeitbeobachtungen zeigen, dass der chronische Verlauf der Erkrankung durch eine einmalige Therapie nicht grundsätzlich beeinflusst wird. Entsprechend wurde in weiteren Studie die Wirksamkeit und Sicherheit von Wiederholungsbehandlungen untersucht.

Lübeck, Lausanne, Baltimore und Boston koordinierten eine große internationale Studie, an der 22 Netzhautzentren in den USA und in Europa beteiligt waren. Der Behandlungserfolg der PDT wurde dabei über zwei Jahre mit einer Kontrollgruppe von Patienten verglichen, die Placebo erhielten. In dieser TAP-Studie ("Treatment of age-related macular degeneration with photodynamic therapy") wurden 609 Patienten in dreimonatigen Abständen augenärztlich untersucht und bei noch bestehender Aktivität des Krankheitsprozesses wiederbehandelt, bis keine Aktivität mehr nachweisbar war.

Die inzwischen analysierten Einjahresergebnisse der TAP-Studie zeigen, dass in der Gesamtpopulation 61 Prozent der PDT-behandelten Augen im Vergleich zu nur 46 Prozent der Augen in der Kontrollgruppe eine Stabilisierung des Sehvermögens aufwiesen. Bei doppelt so vielen Patienten wie in der Kontrollgruppe ergab sich eine Verbesserung des Sehvermögens.

Es zeigte sich auch, dass der Behandlungserfolg durch PDT um so deutlicher ausfiel, je höher der primäre Anteil einer "klassischen" Gefäßneubildung im Makulabereich war. Unter einer klassischen Gefäßmembran versteht man eine in der frühen Angiographie eindeutig nachweisbare vaskuläre Struktur am Augenhintergrund. Läsionen mit ausschließlich klassischem Gefäßprozess zeigten einen fast 80-prozentigen Behandlungserfolg. Nebenwirkungen traten bei sachgerechter Dosierung und adäquater Verabreichung des Farbstoffes nicht auf. Zu berücksichtigen ist lediglich ein konsequenter Lichtschutz der behandelten Patienten innerhalb der folgenden zwei Tage nach Therapie.

Weitere Studien evaluieren momentan den Einfluss der PDT mit Verteporfin auf Gefäßneubildungen bei Kurzsichtigkeit und isolierten, nicht gut abgrenzbaren ("okulten") Gefäßprozessen im Rahmen der altersbezogenen Makuladegeneration. Die Resulate dieser Studien werden im Laufe dieses Jahres erwartet, ebenso wie die Zweijahresergebnisse der TAP-Studie. Sie werden zeigen, ob sich auch über einen längeren Behandlungszeitraum Erfolge nachweisen lassen. Vorerst empfehlen die Lübecker Ophthalmologen, die PDT auschließlich bei der Patientengruppe mit vorwiegend klassischer Pathologie anzuwenden.

Hintergrund:

  • Die altersbezogene Makuladegeneration (AMD) gilt in den industrialisierten Ländern als eine der häufigsten Ursachen für Erblindung. Die fortschreitende Zerstörung der Netzhautmitte führt bei den Betroffenen zu einer Abnahme der zentralen Sehschärfe mit Verzerrtsehen, Verlust des Lesevermögens und schließlich einem ausgedehnten Ausfall im zentralen Gesichtsfeld, so dass Verrichtungen des täglichen Lebens nicht mehr selbständig ausgeführt werden können.
  • In Deutschland leiden 25 Prozent aller Menschen über 65 an einer Makuladegeneration. Bei etwa 7 Prozent der über 75-Jährigen führt sie bis zum Verlust der zentralen Sehschärfe.
  • Die Ursachen der AMD sind wissenschaftlich noch nicht geklärt. Offensichtlich spielen Lebensalter, Geschlecht sowie möglicherweise Rauchen und Erkrankungen des Gefäßsystems eine Rolle.
  • Charakteristisch ist eine Störung des Stoffwechsels der Netzhaut und der Sehpigment-Schicht, die mit Ablagerung von Abbauprodukten und einer Unterversorgung der Sinneszellen mit Sauerstoff und Nährstoffen einher geht.
  • Bei der sogenannten "trockenen" Makuladegeneration kommt es zu einem Ausfall des Sehpigmentes und einer langsam fortschreitenden, mäßigen Reduktion der Sehkraft.
  • Die "feuchte" (exsudative) Makuladegeneration ist mit ausgeprägten Flüssigkeitsansammlungen in der Netzhaut verbunden. Bei einem Teil der Betroffenen bilden sich pathologische Gefäßwucherungen, die aus der Gefäßschicht unter der Netzhaut herauswachsen und zu ausgedehnten Blutungen und schließlich Vernarbungen der empfindlichen zentralen Netzhautstrukturen führen. Diese Gruppe von Patienten hat die schlechteste Prognose und muss damit rechnen, die Sehschärfe auf beiden Augen innerhalb von zwei Jahren zu 70 Prozent zu verlieren.
  • Die einzige Behandlungsmöglichkeit dieser Gefäßaussprossungen unter der Netzhautmitte war bis vor wenigen Jahren die Verödung mit einem besonders intensiven Laserlicht. Dabei wurden neben der Wucherung auch die benachbarten Sinneszellen zerstört, so dass die behandelten Patienten kurzfristig einen weiteren Verlust und langfristig nur einen sehr begrenzten Nutzen hatten.
  • Die photodynamische Therapie (PDT) ist eine Behandlungsform, die seit etwa zwanzig Jahren in Einzelfällen in der Tumorbehandlung angewendet wird. Dabei wird ein lichtaktivierbarer Farbstoff über das Gefäßsystem verabreicht, der sich in den krankhaft veränderten Gefäßen anreichert. Mit einem spezifisch auf den Farbstoff abgestimmten Licht niedriger Intensität wird eine lokal toxische Reaktion ausgelöst, die zu einem Untergang neoplastischer und proliferierender (wuchernder) Zellen führt.
  • Deutsche Wissenschaftler konnten zunächst in experimentellen Studien beweisen, dass durch PDT auch isolierte krankhafte Gefäßneubildungen im Auge behandelbar sind. Damit ist es prinzipiell möglich, unter der Netzhaut eingewachsene Gefäßabnormalitäten komplett zu verschließen, Flüssigkeitsansammlungen auszutrocknen und noch intakte Sinneszellen der Netzhaut zu erhalten oder sogar zu regenerieren.
  • Der für das neue Therapieverfahren benutzte Farbstoff Verteporfin war bereits in der Schweiz und ist künftig auch in Deutschland zugelassen.