Website
Aktuelles
Mittwoch, 26.04.2006

importierte Nachrichten

Neue antivirale Arzneimittel

International Workshop on Discovery of Antiviral Compounds

Etwa 160 Forscher aus 21 Ländern kommen vom 26. - 29. April 2006 in Lübeck zusammen, um beim "International Workshop on Discovery of Antiviral Compounds" Methoden zur Entdeckung und zum Design neuer antiviraler Arzneimittel zu diskutieren.

Solche Medikamente werden angesichts der zunehmenden Zahl von durch Viren verursachten Krankheitsausbrüchen dringend benötigt. Neben neuen Viruserkrankungen des Menschen wie SARS, Chikungunya-Krankheit und Vogelgrippe stellt HIV/AIDS trotz jüngster Fortschritte bei der Behandlung nach wie vor eine Herausforderung an die Menschheit dar (this press release in English).

Eine Pressekonferenz zu der Tagung findet am Freitag, dem 28. April 2006, um 12 Uhr in den Media Docks, Lübeck, Willy-Brandt-Alleee 31b, statt. Alle Journalistinnen und Journalisten sind dazu herzlich eingeladen.

Das Auftreten neuer Infektionskrankheiten ist eine unvermeidbare Folge der Zunahme des globalen Reise- und Warenverkehrs und der Klimaveränderungen. Da diese Faktoren sich in absehbarer Zeit nicht verändern werden, muß die Völkergemeinschaft die Fähigkeit entwickeln, solche Krankheiten unverzüglich zu diagnostizieren, einzudämmen und zu behandeln, und zwar sowohl in den Industrie- als auch den Entwicklungsländern.

Der jüngste Ausbruch einer viralen Infektionskrankheit wird durch das Chikungunya-Virus hervorgerufen, welches zur Verkrüppelung der Infizierten führt und bis vor kurzem als nahezu ausgerottet galt. Jetzt allerdings wird geschätzt, dass bis zu 20 Prozent der Bevölkerung des Inselstaates La Reunion mit dem durch Stechmücken übertragenen Virus infiziert sein könnten. Der Ausbruch der SARS-Epidemie in China, Südostasien und Kanada vor drei Jahren ist noch gut in Erinnerung und Motivation für viele der bei der Tagung in Lübeck anwesenden Forscher, nach antiviralen Gegenmitteln zu suchen. Und schließlich hat das Vogelgrippevirus H5N1 vor wenigen Wochen Europa erreicht.

Diese und viele andere virale Erkrankungen der jüngsten Zeit haben deutlich gemacht, dass man zur Abwehr und Kontrolle nicht nur auf die Entwicklung von Impfstoffen setzen kann. Selbst bei einer deutlichen Beschleunigung der Entwicklung und Produktion von Impfstoffen werden diese im Falle eines neuen Virusstamms oder gar eines ganz neuen Virus frühestens innerhalb von sechs bis zwölf Monaten nach Beginn des Ausbruchs zur Verfügung stehen. Eine unverzügliche Eindämmung einer Epidemie wird daher nur durch Quarantänemaßnahmen und Einsatz antiviraler Medikamente gelingen. Allerdings gibt es gegen viele Viren überhaupt keine Hemmstoffe, und bei anderen ist damit zu rechnen, dass die vorhanden Medikamente aufgrund der Entwicklung von Resistenzen allmählich ihre Wirksamkeit verlieren werden. Die Erfahrung mit HIV zeigt, dass es nicht ausreicht, nur auf ein Medikament zur Bekämpfung eines Virus zu setzen, und sei dieses noch so wirksam. Im Falle des Influenzavirus sind bereits bei mit Tamiflu® behandelten Patienten Virusstämme gefunden worden, die gegen das Medikament resistent sind. Obwohl derzeit noch fraglich ist, ob solche Viren übertragbar sind, ist es abzusehen, dass unter dem Selektionsdruck einer breiten Anwendung von Tamiflu® Influenzaviren auftreten werden, die resistent und übertragbar sind. Das bedeutet: So wertvoll Tamiflu derzeit als Medikament zur Behandlung der Influenza (einschließlich der Vogelgruppe) ist, muss heute bereits an Alternativen geforscht werden, damit beim zu erwartenden Auftreten von Resistenzen in einigen Jahren weitere Wirkstoffe zur Verfügung stehen.

Die Teilnehmer des Workshops in Lübeck werden Methoden zur Entwicklung neuer antiviraler Medikamente diskutieren. Dazu gehören Hochdurchsatz-Screening von Naturstoffen und chemischen Bibliotheken, strukturbasiertes Wirkstoffdesign und Computer-Suchmethoden. Die Forscher werden natürlich auch die vorhersagbaren Virusausbrüche der Zukunft diskutieren, vor allem die Gefahren, die von der Vogelgrippe ausgehen.

Die antivirale Forschung benötigt neue Ideen und internationale Zusammenarbeit. Zwei Initiativen, die nach dem SARS-Ausbruch ins Leben gerufen wurden, werden bei dem Lübecker Workshop vorgestellt. Da ist zum einen das EU-Projekt VIZIER, welches unter der Leitung von Dr. Bruno Canard von der Universität Marseille führende europäische Virologen, Strukturbiologen und Bioinformatiker zusammenbringt, um in einer konzertierten Aktion die dreidimensionalen Strukturen von 100 viralen Proteinen aufzuklären und auf dieser Basis neue antivirale Wirkstoffe zu entwerfen. Ziel ist es, diese bereitstehen zu haben, wenn ein neuer Ausbruch eintritt. Zum anderen wird das Internationale Konsortium für antivirale Arzneimittel (ICAV) unter Leitung von Dr. Jeremy Carver und Dr. Michel Chrétien aus Kanada vertreten sein. ICAV hat ähnliche Ziele wie VIZIER, möchte aber seine neue entdeckten Wirkstoffe bis hin zur klinischen Testung entwickeln. Schließlich werden bei der Tagung vom Lübecker SARS-Forscher Prof. Hilgenfeld und anderen Spezialisten neue Hemmstoffe vorgestellt, die bei einem Wiederaufflammen des SARS-Virus eingesetzt werden könnten.