Prof. Christoph Lange mit dem Wissenschaftspreis "Gesellschaft braucht Wissenschaft" 2014 des Stifterverbandes und der Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz ausgezeichnet
Prof. Dr. med. Dr. h.c. Christoph Lange vom Forschungszentrum Borstel, Professor für International Health / Infectious Diseases an der Universität zu Lübeck, wurde mit dem Wissenschaftspreis „Gesellschaft braucht Wissenschaft“ 2014 des Stifterverbandes und der Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz ausgezeichnet. Die feierliche Verleihung fand am 27. November in Berlin statt.
Prof. Lange erhält den mit 50.000 Euro dotierten, alle zwei Jahre vergebenen Preis für seine Arbeiten zu Prävention, Diagnostik und Therapie multiresistenter und extensiv-resistenter Tuberkulose. Die Studie, die unter seiner Federführung entstand, erschien am Welt-Tuberkulose-Tag 2014 öffentlich zugänglich als Open-Access-Publikation im renommierten European Respiratory Journal.
Die internationale Konsensempfehlung weist auf die drohende Gefahr der Ausbreitung antibiotika-resistenter Tuberkulosebakterien hin und hilft Ärzten in allen Teilen Europas, die Behandlung von Patienten mit einer M/XDR-TB zu optimieren. Die Studie entstand unter Mitwirkung von 40 internationalen Koautoren, darunter Vertretern verschiedener Fachgesellschaften und des European Centre of Disease Prevention and Control.
Die Bedeutung der Arbeiten von Christoph Lange besteht vor allem darin, in Ermangelung eines wirksamen Impfstoffs und ohne geeignete neue Medikamente bestehende Ressourcen zu optimieren und die Vorgehensweisen im Kampf gegen TB grenzüberschreitend zu harmonisieren. Bemerkenswert ist auch der moderne Ansatz der anwendungsorientierten Wissensgenerierung, der sich einer durch fachliche Autorität motivierten "Schwarmintelligenz" von Experten im TB-Management bedient und so ein Beispiel für eine teamorientierte Bewältigung von Public-Health-Problemen darstellt.
Die Tuberkulose steht weltweit an zehnter Stelle aller zum Tode führenden Krankheiten: Neun Millionen Menschen erkranken an ihr pro Jahr, 1,4 Millionen davon sterben. Während die Zahl der Neuerkrankungen aller Tuberkuloseformen insgesamt weltweit leicht rückläufig ist, wird in den vergangenen Jahren ein dramatischer Anstieg der M/XDR-TB vor allem in Osteuropa, in Asien und im südlichen Afrika beobachtet. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) geht global von 450.000 neuen Fällen einer M/XDR-TB pro Jahr aus, mit stark steigender Tendenz. Die Ausbreitung von antibiotika-resistenten Stämmen der Tuberkulosebakterien ist eines der drängenden aktuellen Probleme für die öffentliche Gesundheit in den betroffenen Ländern. Durch rasche Diagnose und eine adäquate Therapie kann die Ausbreitung der antibiotika-resistenten Tuberkulosebakterien verhindert und die Prognose für die betroffenen Patienten deutlich gebessert werden. Derzeit können nur 20 Prozent der an XDR-TB Erkrankten geheilt werden.
Christoph Lange gründete im Jahr 2006 zusammen mit 55 Kolleginnen und Kollegen aus ganz Europa die Tuberculosis Network European Trialsgroup (TBNET). Mit mehr als 600 Mitgliedern aus 22 EU-Staaten und 49 Staaten weltweit ist TBNET heute die größte multinationale Forschungsorganisation auf dem Gebiet der Tuberkulose in Europa. Neben der Möglichkeit, europaweite Studien durchzuführen, ist es über TBNET vor allem möglich, Trainings- und Capacity-Building-Aktivitäten zu entwickeln, die vorwiegend den besonders von TB betroffenen Ländern Osteuropa zugutekommen.
Nikolaus von Bomhard, Vizepräsident des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft, würdigt die Arbeit des Preisträgers als eine außerordentliche Leistung für eine weltweite Weiterentwicklung der Tuberkulosetherapie: "Christoph Lange ist der Architekt eines herausragenden internationalen Wissenschaftsnetzwerkes, das gemeinsam forscht, Therapieempfehlungen formuliert und die Öffentlichkeit aufklärt. Damit wirkt er nicht nur theoretisch in die Wissenschaft, sondern ganz konkret bei Ärzten und Patienten und hinein in die Gesellschaft."
Matthias Kleiner, Präsident der Leibniz-Gemeinschaft, hebt den konkreten Nutzen der Arbeiten des Preisträger besonders hervor: "Christoph Lange zeigt in beeindruckender Weise, wie unmittelbar die Gesellschaft durch die Wissenschaft profitieren kann. Dieser Anwendungsbezug ist für die Leibniz-Gemeinschaft ein zentraler Bestandteil ihres Selbstverständnisses. Die ausgezeichnete Arbeit beweist, dass es durch intelligente Wissens-Infrastrukturen und kreative Vernetzung sogar möglich ist, einen Mehrwert für die öffentliche Gesundheit zu erzielen, selbst wenn keine neuen Medikamente zur Verfügung stehen."
Prof. Dr. med. Dr. h.c. Christoph Lange, Jahrgang 1962, studierte Biologie an der Christian-Albrechts-Universität in Kiel und an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg sowie anschließend Medizin an der Universität Witten-Herdecke, wo er 1995 promoviert wurde. Nach der klinischen Ausbildung in der Inneren Medizin in Kapstadt (Südafrika) und Schleswig-Holstein folgte 1999-2001 ein zweijähriges Fellowship in Klinischer Infektiologie an der Case Western Reserve University in Cleveland/Ohio (USA). 2001 wechselte Lange – zunächst als Weiterbildungsassistent in der Pneumologie und Post-Doc ‑ an das Forschungszentrum Borstel und wurde dort 2002 Funktionsoberarzt für Infektiologie. Im Jahr 2004 folgte die Habilitation im Fach Innere Medizin und die Ernennung zum Oberarzt. 2009 wurde er Leitender Oberarzt und 2014 ärztlicher Leiter der Klinischen Infektiologie. Im Jahr 2005 übernahm Christoph Lange die Forschergruppe „Klinische Infektiologie“ am Forschungszentrum Borstel und die Leitung des Zentrums für Infektiologie Borstel/Lübeck. Im 2013 ins Leben gerufenen überinstitutionellen Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) ist Christoph Lange für die Klinische Tuberkulose-Einheit verantwortlich.
2014 wurde er auf die W3-Professur für International Health/Infectious Diseases an der Universität Lübeck berufen. Er ist Foreign Adjunct Professor am Karolinska Institut in Stockholm (Schweden), Associate Professor an der University of Namibia School of Medicine und Associate Professor an der Staatlichen Universität für Medizin und Pharmazie in Chisinau (Moldawien), die ihm 2013 die Ehrendoktorwürde verlieh. Neben umfangreichen wissenschaftlichen und klinischen Aktivitäten ist Christoph Lange Mitglied der Ethikkommission der Ärztekammer Schleswig-Holstein und Berater der WHO, der European Medicines Agency und von Ärzte ohne Grenzen. Christoph Lange ist verheiratet und Vater zweier Söhne.
Der Stifterverband verleiht den Wissenschaftspreis „Gesellschaft braucht Wissenschaft“ gemeinsam mit der Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz für hervorragende Forschungsleistungen, die sich durch ihre gesellschaftliche Relevanz und gute Umsetzbarkeit auszeichnen. Preiswürdig sind Forschungsarbeiten, deren Ergebnisse die Grundlagen für praktische Umsetzungen in Wirtschaft, Politik, Gesellschaft oder Forschung bilden. Neben der wissenschaftlichen Qualität der Arbeit ist die anschließende zumindest teilweise Anwendung der Ergebnisse gleichwertiges Auswahlkriterium.
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