Neue Publikation des Transregios TRR296 LocoTact
Schilddrüsenhormone steuern viele Stoffwechselprozesse und sind wichtig für die Gehirnentwicklung. Eine Mangel an Schilddrüsenhormonen nach der Geburt infolge einer angeborenen Unterfunktion der Schilddrüse kann zu Entwicklungsverzögerungen des Gehirns und anderer Stoffwechselwege führen. Etwa 1 von 3600 Neugeborenen sind davon betroffen. Welche Zellen im Gehirn dabei von zentraler Bedeutung sind, haben die Forschergruppen von Prof. Dr. Malte Spielmann und Prof. Dr. Jens Mittag am Center for Brain, Behavior and Metabolism (CBBM) der Universität zu Lübeck in einer erfolgreichen Zusammenarbeit aufklären können. Die Ergebnisse wurden kürzlich in der Fachzeitschrift „Development“ veröffentlicht.
Störungen oder Fehlfunktionen der Schilddrüse bei Neugeborenen können unbehandelt zu Verzögerungen von Entwicklung und Wachstum führen. Um eine angeborene Unterfunktion frühzeitig zu erkennen, wird bei Neugeborenen im Rahmen des Neugeborenen-Screenings eine Blutuntersuchung durchgeführt. „Es ist schon lange bekannt, dass ein Mangel an Schilddrüsenhormonen nach der Geburt sehr negative Folgen für die Gehirnentwicklung hat. Aus diesem Grund wird jedes Neugeborene gleich auf eine funktionsfähige Schilddrüse untersucht“, erläutert Jens Mittag, einer der beiden Letztautoren der Studie.
Welche Zellen des Gehirns von der Fehlfunktion im Schilddrüsensignalweg betroffen sind, ist bislang nicht bekannt. Mithilfe eines Mausmodells mit verringerter Aktivität des Schilddrüsensignalweges konnte die Forschergruppe neue Erkenntnisse zur Rolle der Schilddrüsenhormone für die Gehirnentwicklung erzielen. „Das Neue an unserer Arbeit ist nun, dass wir erstmals zeigen konnten, welche Zelltypen im Gehirn bei so einem Mangel besonders betroffen sind“, ergänzt Malte Spielmann, der andere Letztautor.
Neueste Sequenziertechnik deckt Zelltypen auf
Für die Identifizierung der beteiligten Zelltypen des Gehirns wurden neueste Sequenzierungstechnologien angewandt, um die Zellzusammensetzung und Änderungen der Genaktivität in einem Mausmodell mit defektem Schilddrüsensignalweg zu analysieren. „Hierzu haben wir die sogenannte Einzelzellsequenzierung benutzt, bei der man gleichzeitig etwa 30.000 Zellen aus einer Gehirnregion charakterisieren kann. Und diese Analyse zeigte, dass besonders die Oligodendrozyten, also die Zellen, die für die Reizweiterleitung der Nervenzellen wichtig sind, in einem Mausmodell mit defektem Schilddrüsensignalweg verändert waren.“
Kritisches Zeitfenster nach Geburt
Im weiteren Studienverlauf konnten die Lübecker Forscherinnen und Forscher zeigen, dass diese Zellen in einem begrenzten Zeitfenster nach der Geburt das Schilddrüsenhormon für die vollständige Entwicklung benötigen. Wurde dieses Fenster verpasst, war der Defekt später nicht mehr zu korrigieren. „Unsere Arbeit unterstreicht somit eindrücklich die Notwendigkeit und die Wirksamkeit des Neugeborenen-Screenings und einer raschen Therapie mit Schilddrüsenhormonen im Falle einer angeborenen Unterfunktion“, fasst Jens Mittag zusammen.
Die publizierte Arbeit entstand im Rahmen des durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft DFG geförderten Transregio-Sonderforschungsbereichs TRR296 LocoTact zur lokalen Wirkung von Schilddrüsenhormonen, der neben der Universität zu Lübeck auch das Universitätsklinikum Essen und die Charité Berlin beinhaltet.
Originalpublikation
Sreenivasan VKA, Dore R, Resch J, Maier J, Dietrich C, Henck J, Balachandran S, Mittag J*, Spielmann M*. Singlecell RNAbased phenotyping reveals a pivotal role of thyroid hormone receptor alpha for hypothalamic development. Development 2023;150. https://doi.org/10.1242/dev.201228
Kontakt:
Prof. Dr. Malte Spielmann
Institut für Humangenetik
Universität zu Lübeck
malte.spielmann(at)uni-luebeck(dot)de
Tel.: +49 451 31018851
Prof. Dr. Jens Mittag
Institut für Endokrinologie & Diabetes
Universität zu Lübeck / CBBM
jens.mittag(at)uni-luebeck(dot)de
Tel.: +49 451 31017826
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