Antrittsvorlesung "Notfallmedizin - Quo vadis?" - Perspektiven für Forschung und Lehre
Wissenschaftler aus der Klinik für Anaesthesiologie der Medizinischen Universität zu Lübeck haben in den letzten Jahren unter der Leitung von Dr. med. habil. Volker Dörges in zahlreichen Studien zunächst im Forschungslabor, dann auch in klinischen Forschungsprojekten wesentliche Verbesserungen für die Notfallbeatmung gefunden. Die Lübecker Narkoseärzte konnten dabei zeigen, dass die Änderung der Beatmungstechnik bei einem Patienten mit Herz- und Atemstillstand die Wahrscheinlichkeit einer Magenbeatmung mit einer sich häufig anschließenden lebensgefährlichen Lungenentzündung deutlich reduziert. In den Untersuchungen wurden technische Alternativen zur bisher üblichen Notfallbeatmung auf ihre Eignung auch für weniger geübte Helfer untersucht. Im Rahmen dieser Studien wurde unter anderem mit dem Larynxtubus eine neue, einfach zu handhabende Beatmungshilfe erstmals erfolgreich an Patienten eingesetzt, für den praktischen Gebrauch weiterentwickelt und in einer der renommiertesten amerikanischen Fachzeitschriften beschrieben.
Der plötzliche Herztod ereilt die Menschen vor allem zu Hause, an der Arbeitsstelle oder beim Sport und reißt sie häufig ohne Vorwarnung aus völligem Wohlbefinden heraus in den Tod. Die besten Überlebenschancen haben hierbei diejenigen Patienten mit Herz- und Atemstillstand, bei denen einerseits möglichst schnell durch zufällig anwesende Personen (zum Beispiel Familienangehörige oder Arbeitskollegen) lebensrettende Sofortmaßnahmen durchgeführt werden (Mund-zu-Mund Beatmung und Herzdruckmassage), und andererseits Rettungsdienst und Notarzt möglichst frühzeitig eintreffen. Die Therapie des Notarztes besteht aus künstlicher Beatmung mit Sauerstoff, Injektion von den Kreislauf stabilisierenden Medikamenten sowie Elektroschocks (Defibrillationen) zur Beendigung lebensgefährlicher Herzrhythmusstörungen.
Eine wesentliche Verbesserung dieser therapeutischen Maßnahmen durch die Lübecker Forscher betrifft die Notfallbeatmung. Bei der zu Beginn der Wiederbelebungsmaßnahmen durch Familienangehörige oder andere zufällig anwesende Personen, Notarzt und Rettungsassistenten durchgeführten Notfallbeatmung gelangt ein erheblicher Anteil der Beatmungsluft in den Magen, was zum Erbrechen des Mageninhaltes mit einer nachfolgenden Lungenentzündung und damit schwerwiegenden Beeinträchtigung der Lungenfunktion führen kann.
Weiterhin wurde von der Lübecker Arbeitsgruppe die für jeden Atemzug während einer Herz-Lungen-Wiederbelebung benötigte Luftmenge untersucht, welche für eine ausreichende Sauerstoffversorgung von Gehirn und Herz erforderlich ist. Diese Studien wurden unter Federführung von V. Dörges in Zusammenarbeit mit der University of Florida in Gainesville (USA), der University of New South Wales in Sydney und der University of Queensland in Cairns (beide Australien), der Leopold-Franzens-Universität in Innsbruck (Österreich) sowie dem Frenchay Hospital in Bristol und dem Royal United Hospital in Bath (beide Großbritannien) durchgeführt. Die Untersuchungen ergaben, dass lediglich die Hälfte des bisher für notwendig erachteten Atemzugvolumens zur Sicherstellung einer ausreichenden Sauerstoffversorgung während der Notfallbeatmung benötigt wird, wenn die Beatmung mit einem Sauerstoffanteil von mindestens 40% durchgeführt wird - ein Ergebnis, das die Notfallbeatmung wahrscheinlich wesentlich sicherer macht.
Die in internationalen Fachzeitschriften publizierten und insbesondere auf der wissenschaftlichen Jahrestagung der American Heart Association (AHA) im November 1999 in Atlanta/USA vorgestellten und diskutierten Lübecker Ergebnisse spielten bei der Neufassung der internationalen Richtlinien zur Herz-Lungen-Wiederbelebung durch die American Heart Association und den European Resuscitation Council in diesem Frühjahr eine entscheidende Rolle. Hier wurden die Wissenschaftler der Medizinischen Universität zu Lübeck mit einer der höchsten Ehren bei der klinischen Forschung ausgezeichnet, nämlich der Umsetzung von Erfahrungen aus dem Forschungslabor und von klinischen Untersuchungen in internationale Wiederbelebungs-Richtlinien. Damit werden, wie in der Ausgabe vom 22.8.2000 in den international hochangesehenen Fachzeitschriften "Circulation" und "Resuscitation" ausführlich erläutert, ab August 2000 Lübecker Ergebnisse weltweit bei der Notfalltherapie eines Patienten mit plötzlichem Herz- und Atemstillstand in die Praxis umgesetzt.
für die Ukraine