Organic Computing, Virenbekämpfung, neurochirurgische Operationen und Prävention des Metabolischen Syndroms
Mit insgesamt 946.500 Euro fördert das Land Schleswig-Holstein vier Forschungsprojekte an der Universität zu Lübeck. Staatssekretär Jost de Jager aus dem Ministerium für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr überreichte den erfolgreichen Projektleitern die Zuwendungsbescheide am Montag, dem 25. Juni 2007.
Die Fördersummen aus Mitteln des Innovationsfonds gehen an Prof. Dr. rer. nat. Stefan Fischer (Direktor des Instituts für Telematik, 145.500 Euro), Prof. Dr. rer. nat. Rolf Hilgenfeld (Direktor des Instituts für Biochemie, 484.000 Euro), Priv.-Doz. Dr. rer. nat. Ulrich Hofmann (Institut für Signalverarbeitung und Prozessrechentechnik, 307.000 Euro) und Prof. Dr. med. Dr. phil. Hans-Heinrich Raspe (Direktor des Instituts für Sozialmedizin, 10.000 Euro).
Die vier geförderten Forschungsprojekte gelten den folgenden Themen und Fragestellungen:
OCLab (Prof. Dr. Stefan Fischer, Institut für Telematik)
In der Informatik nehmen Themen wie Selbstorganisation oder Autonomie von Rechensystemen aufgrund der zunehmenden Komplexität und Zahl der Systeme einen immer breiteren Raum ein. In Deutschland wird dem vor allem durch die Entwicklung des Gebietes des "Organic Computing" (OC) Rechnung getragen. Die Kernidee besteht darin, Computersysteme mit lebensähnlichen Eigenschaften zu versehen und sie dadurch wesentlich robuster gegenüber Umwelteinflüssen zu machen. Das Ziel des Projektes "OCLab" besteht darin, diese neuen Gedanken der Informatik möglichst schnell in Theorie und Praxis in der Lehre zu verankern. Dazu wird mit Hilfe des Innovationsfonds ein hochmodernes Labor eingerichtet, in dem Studierende sich mit Verfahren des Organic Computing beispielsweise in der Robotik, Telematik und Bioinformatik auseinandersetzen werden. Thematisch passt dieses Projekt damit hervorragend zu den Schwerpunkten der Universität zu Lübeck und wird die weitere Vertiefung der Zusammenarbeit zwischen Informatik, Lebenswissenschaften und Medizin in der Lehre nachhaltig befördern.
Strukturbasierte antivirale Chemotherapeutika - Design und präklinische Entwicklung neuer antiviraler Substanzen mit Breitbandwirkung (Prof. Dr. Rolf Hilgenfeld, Institut für Biochemie)
Angesichts seit 1994 jährlich auftretender Epidemien, die entweder durch neue, bisher unbekannte Viren hervorgerufen werden (Nipah-Virus, SARS-Coronavirus) oder durch Viren, die ausschließlich als Tierpathogene galten (Vogelgrippevirus H5N1), herrscht unter Virologen weitgehende Übereinstimmung, dass in den nächsten Jahrzehnten eine Influenza-Pandemie droht. Seit vier Jahren beschäftigt sich das Institut für Biochemie, eine Einrichtung des Zentrums für Medizinische Struktur- und Zellbiologie (ZMSZ) der Universität zu Lübeck, mit der Entdeckung neuer Hemmstoffe gegen RNA-Viren. Dazu klärt es die dreidimensionalen Strukturen viraler Proteine durch Röntgenkristallographie auf. Anhand dieser Strukturen werden dann antivirale Hemmstoffe am Computer entworfen und anschließend im Institut chemisch synthetisiert. Etliche der neuen Verbindungen aus der Lübecker Biochemie zeigen sehr gute Wirkung gegen Coxsackievirus B3, einen Erreger von akuten und chronischen Herzmuskelentzündungen vor allem bei Kindern. Außerdem wirken diese Substanzen gegen das hochinfektiöse Norovirus, welches im Januar und Februar dieses Jahres auch in Hamburg und Lübeck sein Unwesen trieb. Die entdeckten antiviralen Hemmstoffe gilt es nun präklinisch weiter zu profilieren. Für eine derartige anwendungsnahe Forschung ist es schwierig, Forschungsgelder einzuwerben, zumal die pharmazeutische Großindustrie sich praktisch nicht mehr für die Entwicklung von antiviralen Therapien interessiert, die den Patienten innerhalb von zehn Tagen wieder gesunden lassen. Die Landesregierung hat diese Problematik erkannt und setzt die Innovationsfondsmittel genau an diesem strategisch bedeutenden Punkt in der Hemmstoffentwicklung in der Lübecker Biochemie ein. Professor Hilgenfeld rechnet damit, dass die jetzt bewilligte Förderung wiederum als Ausgangspunkt für die Einwerbung weiterer Forschungsmittel genutzt werden kann. Schon hat sich eine kanadische Stiftung gemeldet, die seine Arbeiten zum Influenzavirus mit bis zu 300.000 Euro unterstützen möchte.
Entwicklung eines multimodalen Neuro-Explorationsinstruments (Priv.-Doz. Dr. Ulrich Hofmann, Institut für Signalverarbeitung und Prozessrechentechnik)
Eine Taschenlampe und ein gutes Gehör können in Alltagssituationen entscheidende Hilfsmittel sein, um sich in vollkommener Dunkelheit zurechtzufinden. Genau diese beiden Modalitäten will das geförderte Projekt eines multimodalen Neuro-Explorationsinstruments zur Verbesserung der intraoperativen Orientierung in der Neurochirurgie zusammenbringen. Es handelt sich um ein Projekt der AG Neurotechnik am Institut für Signalverarbeitung und Prozessrechentechnik. Insbesondere soll in diesem Projekt das in der Neurochirurgie etablierte Verfahren der Mikroelektrodenableitungen mit dem bildgebenden Verfahren der Optischen Kohärenztomographie in einem mikroskopischen, chirurgischen Instrument integriert werden. Der geplante Prototyp wird zunächst an Tierexperimenten in Zusammenarbeit mit der AG Neurochemie von Prof. Dr. Andreas Moser in Lübeck getestet und dann zusammen mit industriellen Partnern in eine klinischen Anwendung überführt. Arbeitsziel ist die gleichzeitige Aufzeichnung von elektrophysiologischen Daten und der anatomischen Struktur durch Kohärenztomographie.
Entwicklung und Validierung eines via Mobiltelefon vermittelten Präventionsprogramms für das Metabolische Syndrom (Prof. Dr. Hans-Heinrich Raspe, Institut für Sozialmedizin)
Das Metabolische Syndrom (Übergewicht, Zuckerkrankheit, Fettstoffwechselstörung und Bluthochdruck) ist für die Betroffenen wie auch für die Volkswirtschaften von elementarer Bedeutung. Bei seiner Behandlung werden primär insbesondere die Risikofaktoren Rauchen, Bewegungsmangel sowie Über- und Fehlernährung adressiert. Weltweit hat sich der Einsatz von IT-Medien (PC, Mobiltelefon) sowohl in der Prävention als auch bei der Behandlung von verhaltensabhängigen Krankheiten bewährt. In dem geplanten Projekt ist als Medium für die Feststellung des bestehenden Risikos (Assessment) und die Intervention das Mobiltelefon (SMS) gewählt. Zielgruppen sind junge Erwachsene, Rehapatienten in der Nachsorge, Mitglieder von Krankenversicherungen sowie Betriebe. Ziel ist die Entwicklung eines validierten softwaregesteuerten Gesamtkonzepts für das Assessment von (verhaltensgebundenen) Risikofaktoren sowie die maßgeschneiderte Intervention bei großen Bevölkerungsgruppen, das auf unterschiedliche Kontexte übertragen werden kann. In der Vorbereitungsphase geht es darum, die nationalen und internationalen (europäischen) Arbeitsgruppen zu bilden, einzelne Forschungskonzepte zu spezifizieren und diese gemeinsam soweit zu entwickeln, dass sie in einem Gesamtantrag eingereicht werden können.
für die Ukraine