Wissenschaft für die therapeutische Praxis
Nach Heidelberg, Freiburg und Tübingen findet der 4. Psychotherapiekongress der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) in Lübeck statt. Etwa 500 Ärzte, Therapeuten, Psychologen, Sozialarbeiter und Angehörige der Pflegeberufe kommen vom 4. bis 7. April 2001 in die Medizinische Universität. Wissenschaftliche Leiter und Organisatioren der Tagung sind Prof. Dr. Fritz Hohagen, Priv.-Doz. Dr. Ulrich Schweiger und Ltd. Dipl.-Psych. Valerija Sipos von der Lübecker Uniklinik für Psychiatrie und Psychotherapie. Das breite Spektrum der beteiligten Berufe wie auch der Tagungsort Lübeck sind bei diesem bedeutenden Kongress kein Zufall. Sie stehen vielmehr im Zusammenhang mit tiefgreifenden Veränderungen, die sich gegenwärtig in der Behandlung seelischer Erkrankungen vollziehen. Die früheren Gegensätze zwischen Tiefenpsychologie und Verhaltenstherapie, sowie generell zwischen Psychotherapie und medikamentöser Behandlung spielen in modernen psychiatrischen Therapiekonzepten eine immer geringere Rolle. Außerdem arbeiten heute die, die sich wissenschaftlich und die sich klinisch-praktisch mit Psychotherapie beschäftigen, sehr viel selbstverständlicher und enger zusammen. Die Lübecker Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie ist eine derjenigen in Deutschland, in denen das Konzept einer integrierten, indikationsbezogenen Psychotherapie bereits sehr vollständig verwirklicht ist. Insofern bedeutet die Entscheidung der Fachgesellschaft, in diesem Jahr an der Trave zu tagen, eine besondere Anerkennung und Auszeichnung für die Arbeit von Professor Hohagens Team.
Mit den Themen der Vorträge und 25 Workshops liefert der Kongress einen sehr umfassenden Überblick über den aktuellen Stand der Psychotherapie. Die Referenten zählen zu den national und international führenden Fachleuten auf ihrem jeweiligen Gebiet. Die Hauptvorträge halten Michael Meaney aus Montreal/Kanada, Robert Murison aus Bergen/Norwegen, Edna Foa aus Philadelphia/USA, Franz Caspar aus Freiburg und Winfried Rief aus Marburg. Eines der Themen, die auf dem Lübecker Kongress besonders intensiv behandelt werden, ist die Behandlung psychischer Störungen, die nach außergewöhnlichen Stress- und Schockerlebnissen auftreten können (posttraumatische Belastungsstörung). Aber auch Schizophrenie, Zwangsstörungen, Suchterkrankungen, Sexualstörungen und die Borderline-Persönlichkeitsstörung gehören zum Themenspektrum.
Einer der neuen Ansätze in der Psychotherapieforschung, der auch von den Lübecker Wissenschaftlern besonders verfolgt wird, versucht neurobiologische Veränderungen unter Psychotherapie zu untersuchen. Beispielsweise zu Zwang, Essstörungen und Depressionen gibt es hierzu vielbeachtete neue Untersuchungsergebnisse aus der Lübecker Klinik.
Der Lübecker Psychotherapiekongress nennt im Untertitel die Themen "Forschung - Praxis - Finanzierung". Er setzt sich damit zum Ziel, auch zu aktuellen gesundheitspolitischen Fragen und zur Diskussion um die Ressourcenverteilung im Gesundheitssystem Stellung zu nehmen.
Heide Moser, Gesundheitsministerin des Landes Schleswig-Holstein, betont die Bedeutung eines solchen Kongresses für die Patienten und Patientinnen: "Das Thema Psychotherapie hat bisher immer eine breite Öffentlichkeit interessiert, nicht zuletzt durch Titelthemen großer deutscher Nachrichtenmagazine mit Schlagzeilen wie "Seelenheiler im Labyrinth"... Der betroffene psychisch kranke Mensch hat aber nur dann Nutzen von den neuen Forschungserkenntnissen, wenn diese auch in die Praxis umgesetzt werden und dort Anwendung finden." An die Teilnehmer der Lübecker Tagung gerichtet, fährt sie fort: "Genau diesem Anliegen wollen Sie schwerpunktmäßig mit ihrem Kongress entsprechen. Dies begrüße ich außerordentlich."
für die Ukraine