Qualitätsindikatoren für die medizinische Versorgung? - Antrittsvorlesung von Dr. med. Thomas Kötter am 16. Januar (17 Uhr s.t., Hörsaal T1)
Die Voraussetzungen für eine qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung scheinen in Deutschland gut zu sein: Aus fünf Bewerberinnen oder Bewerbern pro Studienplatz können die Unis sich die schlauesten, motiviertesten, empathischsten zukünftigen Ärztinnen und Ärzte aussuchen. Fast niemand bricht das Medizinstudium ab, jede(r) bekommt einen Arbeitsplatz, die Bezahlung stimmt auch. Ärztinnen und Ärzte sind gesellschaftlich hoch angesehen und die Berufszufriedenheit ist überwiegend gut.
Andererseits zeigen Studien, dass Ärztinnen und Ärzte überdurchschnittlich häufig selbst krank sind. Häufiger als in der Allgemeinbevölkerung leiden sie unter Burnout, Depressionen und Suchterkrankungen. Gleichzeitig tendieren Medizinerinnen und Mediziner zum Negieren eigener Beschwerden und zum Präsentismus (also dazu, krank zur Arbeit zu gehen). Neben dem persönlichen Leid, das – genauso wie in allen anderen Berufsgruppen auch – durch diese gesundheitliche Beeinträchtigung entsteht, hat sie bei Ärztinnen und Ärzten auch messbar negative Auswirkungen auf die Qualität der Patientenversorgung: Die Wahrscheinlichkeit für Behandlungsfehler steigt, während die Empathiefähigkeit sinkt.
Die Gesundheit von Ärztinnen und Ärzten ist also systemrelevant und ein wichtiger Qualitätsindikator für Gesundheitssysteme. Nicht umsonst und folgerichtig ist das Genfer Gelöbnis, das, wie in vielen anderen Ländern, auch in Deutschland der ärztlichen Berufsordnung vorangestellt ist, 2017 ergänzt worden um unter anderem den Satz: „Ich werde auf meine eigene Gesundheit, mein Wohlergehen und meine Fähigkeiten achten, um eine Behandlung auf höchstem Niveau leisten zu können.“
(Habilitation im Fachgebiet Sozialmedizin und Versorgungsforschung)
für die Ukraine