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Freitag, 27.12.2019

Forschung

Genetik neurologischer Bewegungsstörungen

Hochdurchsatz-Sequenzierung: Lübeck ist international führender Standort im Bereich der Dystonie-Genetik

Die DFG hat die Förderung eines Projekts zur genetischen Erforschung neurologischer Bewegungsstörungen mit Hochdurchsatz-Sequenzierung an der Universität zu Lübeck bewilligt. Antragsteller sind Prof. Dr. Katja Lohmann und Prof. Dr. Christine Klein aus dem Institut für Neurogenetik (Klinik für Neurologie) und Prof. Dr. Hauke Busch aus dem Institut für Experimentelle Dermatologie.

Im Rahmen des Projektes soll der kodierende Bereich des Genoms bei 2000 Dystonie-Patienten untersucht werden, um weitere genetische Varianten zu finden, die ursächlich für die Entstehung der Erkrankung sind. Die Fördersumme beträgt insgesamt 908.819 Euro über insgesamt drei Jahre.

Die Dystonien stellen eine klinisch und genetisch heterogene Gruppe einer Bewegungsstörung dar, die durch unwillkürliche drehende und schraubende Bewegungen und ungewöhnliche Haltungen gekennzeichnet ist. Diese Fehlhaltungen können entweder einzelne Körperregionen betreffen wie zum Beispiel beim Schreibkrampf oder generalisiert auftreten und durch Beteiligung von Rumpf und Beinen zur Gehunfähigkeit und Rollstuhlpflicht führen, so dass Dystonien oftmals mit einer massiven Beeinträchtigung der Lebensqualität einhergehen.

Bisher gibt es keine Heilung einer Dystonie, und die Behandlungsmöglichkeiten sind begrenzt, unter anderem auch, weil die Pathophysiologie nur unzureichend verstanden ist. Die hohe Erblichkeit von circa 25 Prozent legt allerdings einen wesentlichen Beitrag von genetischen Faktoren bei den Dystonien nahe. Einige monogene Formen, darunter wenige spezifisch behandelbare, wie auch einige genetische Risikofaktoren für eine Dystonie konnten bereits identifiziert werden, aber bei den meisten Patienten bleibt die Ursache der Erkrankung weiterhin ungeklärt, so dass es an der Zeit für großangelegte genetische Studien bei Dystonien ist, um die Ursachen besser ergründen zu können.

Wichtige Grundlage für die Entwicklung molekularer Therapieansätze

Die Lübecker Forscherinnen und Forscher werden vor allem Exom-, aber auch Genom- und Transkriptom-Sequenzierung bei 2000 Dystonie-Patienten durchführen, um monogene Ursachen dieser schwer einschränkenden Erkrankungsgruppe aufzuspüren. Im Rahmen von zwei großen Biodatenbanken (Deutsches Dystonie-Register des vom Bundesforschungsministerium geförderten DysTract-Konsortiums und der durch die National Institutes of Health, USA, geförderten Dystonia Coalition) stehen Proben von mehr als 5000 klinisch gut charakterisierten Dystonie-Patienten für das Projekt zur Verfügung. Diese Patientenproben werden in Kiel an einem der vier großen DFG-geförderten Sequenzierzentren in Deutschland sequenziert.

Die bioinformatische Aufarbeitung der Rohdaten und das damit verbundene Benennen von Varianten wird in der Arbeitsgruppe Medizinische Systembiologie am Lübecker Institut für Experimentelle Dermatologie (LIED) unter Leitung von Prof. Dr. Hauke Busch durchgeführt werden. Für die Varianteninterpretation werden Prof. Dr. Katja Lohmann und ihr Team am Institut für Neurogenetik federführend zuständig sein. Dazu werden zunächst die detektierten Varianten stringent gefiltert und Kandidatengene funktionell charakterisiert. Dies wird sowohl systembiologische Pathway-Analysen als auch die Anwendung von Zellmodellen, unter anderem auch von induzierten pluripotenten Stammzellen und daraus differenzierten Neuronen beinhalten. Letzteres sowie die klinische Nachuntersuchung von neu identifizierten Mutationsträgern wird unter Leitung von Prof. Dr. Christine Klein durchgeführt.

Die drei Antragsteller vereinen fundiertes Wissen über die Klinik, Genetik und funktionelle Charakterisierung von Dystonien mit modernen Hochdurchsatz-Analysen von genetischen Daten und deren Interpretation, womit sie alle Voraussetzungen erfüllen, um das Projekt erfolgreich durchzuführen.

Bemerkenswert ist, dass die in den USA lokalisierte Dystonia Coalition gern bereit ist, der Lübecker Gruppe ihre wertvollen Proben zur Verfügung zu stellen. Dies unterstreicht, dass Lübeck als ein international führender Standort im Bereich der Dystonie-Genetik angesehen wird. Das Projekt wird neue genetische Ursachen bei Dystonien aufklären und so eine wichtige Grundlage für die Entwicklung molekularer Therapieansätze liefern.

DFG-gefördertes Projekt zur Erforschung neuer erblicher Ursachen von Dystonien

Prof. Dr. Christine Klein, Prof. Dr. Katja Lohmann und Prof. Dr. Hauke Busch (v.l.n.r.)