Life Sciences in neuen Dimensionen: Ein Millionstel Gramm und minus 269 Grad Celsius
Im Raum Lübeck/Hamburg wird eine neue Forschungsdimension in den "Lebenswissenschaften" ("Life Sciences") eröffnet. Mit einem neuen Großgerät kann ein Millionstel Gramm eines Eiweißstoffes in seinen Wechselwirkungen mit körpereigenen Substanzen und Arzneistoffen analysiert werden. Das 3,6 Millionen Mark teure Höchstfeld-NMR-Spektrometer nimmt am Donnerstag, dem 28. Juni 2001, seinen Betrieb auf.
Das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) bewilligte Spektrometer für kernmagnetische Resonanz (NMR-Spektrometer) wird im Rahmen eines gemeinsamen Sonderforschungsbereichs der Universitäten Lübeck und Hamburg genutzt. Es handelt sich um den Sonderforschungsbereich (SFB) 470, "Glycostrukturen in Biosystemen - Darstellung und Wirkung".
Das neue Gerät wurde von Prof. Dr. Thomas Peters, Institut für Chemie der Medizinischen Universität zu Lübeck, und Prof. Dr. Bernd Meyer, Institut für Organische Chemie der Universität Hamburg, beantragt. Es wird für die Suche und Erforschung hochspezifischer Wirkstoffe eingesetzt, wie sie beispielsweise für mögliche neuartige Therapieformen bei der erworbenen Immunschwächekrankheit Aids und bei chronisch entzündlichen Erkrankungen (z.B. Rheuma) entwickelt werden. Auch die Studierenden des im Herbst beginnenden neuen Studiengangs "Molekulare Biotechnologie" an der MUL werden bereits Gelegenheit erhalten, im Rahmen von Studienarbeiten bei der Bearbeitung hochaktueller Forschungsthemen an dem Gerät mitzuwirken.
Die deutsche Firma Bruker, die das neue NMR-Gerät liefert, ist auf diesem Gebiet weltführend. Kernstück des Großgerätes ist ein extrem starker, supraleitender Magnet, der bei minus 269 Grad Celsius betrieben wird. Durch eine spezielle Anordnung der Meßsonden, die bei etwa minus 250 Grad Celsius betrieben werden, sind Messungen mit höchster Empfindlichkeit möglich. Für die Erforschung der Wechselwirkungen von Molekülen im menschlichen Körper wird damit eine neue Dimension eröffnet.
Die NMR-Spektroskopie gibt generell Aufschluss über die magnetischen Eigenschaften von Atomen und erlaubt mit Hilfe bestimmter experimenteller Anordnungen die präzise Analyse molekularer Details bei der Wechselwirkung von zum Beispiel Arzneistoffen mit Molekülen aus dem menschlichen Körper. Ein besonderer Schwerpunkt der Forschungsarbeit ist die Untersuchung komplexer Verbindungen, die aus Zuckern und Eiweiß-Stoffen zusammengesetzt sind, sogenannte Glycokonjugate.
Diese Verbindungen übernehmen eine Reihe von wichtigen Erkennungsfunktionen innerhalb des menschlichen Körpers. Sie sind in ihrer Struktur und Funktion bisher vergleichsweise wenig erforscht. Allerdings spielen Glycokonjugate bei vielen Erkrankungen eine molekulare Schlüsselrolle, wie zum Beispiel bei baktierellen oder viralen Infektionen, bei Entzündungen oder bei der Metastasierung von Tumoren. Ziel der mit dem Großgerät geplanten Experimente ist es, mit von den beiden Arbeitsgruppen neu entwickelten Verfahren schneller zu pharmazeutischen Wirkstoffen zu gelangen.
Die Arbeitsgruppen von Prof. Peters und Prof. Meyer kooperieren bereits seit vielen Jahren im Bereich der NMR-Spektroskopie und beschäftigen sich dabei mit der Aufklärung molekularer Mechanismen bei verschiedenen Erkrankungen wie zum Beispiel chronischen Entzündungen oder der HIV-Infektion. Einer der aktuellen Forschungsschwerpunkte gilt auch der Suche nach einem Wirkstoff gegen das Rhinovirus, das allgemein für den Schnupfen verantwortlich ist.
"Das neue Forschungsgerät stellt für den Bereich der Lebenswissenschaften im Großraum Lübeck/Hamburg eine wesentliche Verstärkung dar", betont Prof. Peters. Ein Gerät dieser Größenordnung für den Norden zu beschaffen, sei nur durch die langjährige, erfolgreiche und länderübergreifende Zusammenarbeit ermöglicht worden.
Standort des NMR-Spektrometers ist der Fachbereich Chemie der Universität Hamburg. Dort ist eigens für etwa eine Million Mark ein neues Gebäude eingerichtet worden, das optimale Aufstellungsbedingungen für das Gerät bietet.
Die Staatsrätin der Behörde für Wissenschaft und Forschung der Hansestadt Hamburg, Frau Prof. Dr. Marlis Dürkop, wird am 28. Juni 2001 um 9.00 Uhr diese neue Forschungseinrichtung eröffnen. Anschließende Grußworte werden vom Rektor der Medizinischen Universität zu Lübeck, vom Präsidenten der Universität Hamburg und vom Dekan des Fachbereichs Chemie der Universität Hamburg gesprochen.
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