Der Deutsche Krebsregister e.V. (DKR) hält die jüngst von verschiedenen Krankenkassen vorgelegten Zahlen zu Krebsneuerkrankungen für falsch. Der 2. Vorsitzende des DKR, Professor Dr. Alexander Katalinic, ist Direktor des Instituts für Sozialmedizin und Epidemiologie der Universität zu Lübeck.
In den letzten Monaten wurden von verschiedenen Krankenkassen vermehrt Zahlen zu Krebsneuerkrankungen mit zum Teil drastischen, offensichtlich falschen und nicht haltbaren Aussagen veröffentlicht. So wurden beispielsweise anlässlich des Weltnichtrauchertags unerklärbar hohe Fallzahlen und immense Steigerungen bei den Neuerkrankungen an Lungenkrebs beschrieben, die viele Menschen verunsichert haben. Teilweise liegen die Zahlen bis zu Faktor 4 höher als aktuell bekannt. So wurden für Schleswig-Holstein 3.000 Lungenkrebsdiagnosen bei Frauen geschätzt, die Zahl liegt aber bei ca. 1.000. Für Niedersachsen wurden 10.000 Lungenkrebsdiagnosen bei Frauen geschätzt, die Zahl liegt aber bei ca. 2.500. Prof. Dr. Alexander Katalinic, Direktor des Instituts für Sozialmedizin und Epidemiologie der Universität zu Lübeck, beklagte die mangelnde Abstimmung solcher Veröffentlichungen mit den Landeskrebsregistern: „Ein Blick auf die Zahlen der Krebsregister hätte gezeigt, dass hier etwas nicht stimmen kann“, so Professor Katalinic. „Ärzte und Ärztinnen melden an die Krebsregister aussagekräftige Daten zu Krebs. Diese Zahlen sollten auch von den Krankenkassen genutzt werden.“
Für die Information der Bevölkerung sollten die Daten der Landeskrebsregister genutzt werden. Krebserkrankungen in Deutschland sind meldepflichtig und jedes Bundesland verfügt über ein Krebsregister, das alle Krebsneuerkrankungen und Krebstherapien erfasst. Diese Krebsregister werden von den Krankenkassen mitfinanziert. Die Krebsregister veröffentlichen ihre Daten, darunter auch die jährlichen Neuerkrankungsfälle regelmäßig. Zudem werden jährlich die Daten der Bundesländer im Zentrum für Krebsregisterdaten (ZfKD) am Robert Koch-Institut in Berlin zusammengeführt und veröffentlicht. Demnach erkranken jedes Jahr etwa 500.000 Menschen in Deutschland neu an Krebs. Häufigste Krebserkrankungen sind Brustkrebs, Prostatakrebs, Darmkrebs und Lungenkrebs. Während bei Männern die Inzidenzrate beim Lungenkrebs kontinuierlich abnimmt, ist bei Frauen ein Anstieg in der Inzidenzrate zu beobachten, von 27,8 im Jahr 2010 auf 33,0 im Jahr 2019. Dieser Trend ist aber deutlich geringer als die von den Krankenkassen beschriebenen Zahlen vermuten lassen.
Es ist aus der Forschung bekannt, dass Analysen mit Krankenkassendaten nicht in der Lage sind, die Zahl der Krebsneuerkrankungen valide zu bestimmen. Zusätzlich ist anzumerken, dass die Verwendung von Fallzahlen im zeitlichen Verlauf wegen des sich vollziehenden demografischen Wandels nur sehr bedingt aussagekräftig ist. Weiter ist sauber zwischen Neuerkrankungen und Behandlungsfällen zu unterscheiden, was bei den Auswertungen von Krankenkassendaten nur eingeschränkt möglich ist. Für die Zukunft ist es wichtig, dass die Allgemeinheit sorgfältig und mit korrekten Daten zum Krebsgeschehen versorgt wird. Es sind Methoden zu verwenden, die zu aussagekräftigen, unverzerrten Ergebnissen führen. Auf Limitationen oder selektierte Auswertepopulationen muss hingewiesen werden. Jede Autorin und jeder Autor und jede Institution steht in der Pflicht, mit größter Sorgfalt die bestmöglichen verfügbaren Informationen für Veröffentlichungen zu verwenden.
Der DKR e.V. bietet an, die Krankenkassen bei der Berichterstattung von Fallzahlen jederzeit zu unterstützen. Aktuelle Zahlen zu Krebs in Deutschland finden sich auf der Homepage der DKR e.V., auf den Seiten der Landeskrebsregister und beim Zentrum für Krebsregisterdaten am Robert Koch-Institut. Links zu diesen Datenquellen und weitere Hintergrundinformationen finden sich unter www.dkr.de.
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