Eng verzahntes interdisziplinäres Netzwerk zur Erforschung erblicher Bewegungsstörungen
Die Forschungsgruppe „ProtectMove - Reduzierte Penetranz bei erblichen Bewegungsstörungen: Aufklärung von Mechanismen endogener Krankheitsprotektion“ an der Universität zu Lübeck wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) für drei weitere Jahre gefördert. Dies beschloss der Hauptausschuss der DFG in seiner Sitzung im Rahmen der Jahresversammlung am 1. Juli 2020. Sprecherin der seit 2016 bestehenden Forschungsgruppe ist Prof. Dr. Christine Klein, Leiterin des Instituts für Neurogenetik der Universität.
„Die 21 Projektleiter freuen sich riesig über die Förderung der DFG-Forschungsgruppe FOR 2488 ‚ProtectMove‘ für weitere drei Jahre“, sagte Prof. Christine Klein anlässlich der Förderzusage. „In der ersten Förderperiode sind bereits spannende Ergebnisse zu der wichtigen Frage erzielt worden, welche Faktoren Mutationsträger davor schützen können, eine erbliche Bewegungsstörung überhaupt zu entwickeln und, wenn ja, wann und wie schwer. Die Forschungsgruppe ist dankbar, sich durch die großzügige DFG-Förderung von knapp vier Millionen Euro diesem zentralen Thema der personalisierten Medizin weiter widmen zu können und wird hierzu zahlreiche neue, innovative Methoden einsetzen. ProtectMove hat sich bereits jetzt zu einem ‚Magneten‘ für Wissenschaftler, Studierende und auch Kooperationspartner aus aller Welt entwickelt, die dem Konsortium Tausende von Datensätzen und Bioproben zur Verfügung gestellt haben“.
Angesichts der überraschend großen Zahl an Trägern vermeintlich pathogener Mutationen, die aber die betreffende Krankheit nicht entwickeln, scheint die Bedeutung reduzierter Penetranz bisher erheblich unterschätzt worden zu sein. Dennoch stellt sie eine zentrale Frage nicht nur im Bereich der erblichen Bewegungsstörungen, sondern auch auf dem gesamten Gebiet der medizinischen Genetik und personalisierten Medizin dar. Darüber hinaus wurden Präventionskonzepte zum Schutz vor Krankheiten in der genomischen Forschung bisher noch weitgehend vernachlässigt.
In der ersten Förderperiode hat sich darum die Forschungsgruppe "ProtectMove" zu einem eng verzahnten, interdisziplinären Netzwerk zusammengeschlossen und sich innerhalb von drei Jahren als nationale und internationale Drehscheibe für die Erforschung der reduzierten Penetranz von Bewegungsstörungen etabliert. Sie hat zahlreiche neue Mitarbeiter, Studenten, Kohorten, Datensätze und Biomaterialien angezogen und eine nachhaltige Infrastruktur aufgebaut, die von innovativen Datenkonzepten, über neue Ansätze der internationalen Teamwissenschaft bis zu Plattformen für induzierte pluripotente Stammzelltechnologie (iPSC), Genom-Editierung und Sequenzierung der dritten Generation reicht.
Projekte in Lübeck, Bozen, Kiel, Luxemburg und Essen
Von den Projektleiterinnen und -leitern kommen elf aus Lübeck, vier vom An-Institut der Universität in Bozen, drei aus Kiel, zwei aus Luxemburg, darunter die Brückenprofessorin der Forschungsgruppe Anne Gruenewald, und einer aus Essen. In Lübeck neu dabei sind Joanne Trinh und Hauke Busch.
Die wichtigsten Hypothesen der ersten Förderantrags wurden durch eine Fülle neuer Erkenntnisse bestätigt: 1. Reduzierte Penetranz und variable Expressivität scheinen ein Kontinuum über die Manifestation und die Ausprägung von Krankheiten hinweg zu sein. 2. Pathogene Varianten in entsprechenden Genen sind bei Parkinson (PD)- und Dystoniepatienten häufiger anzutreffen als bei Kontrollpersonen, treten aber auch bei Letzteren mit einer beachtlichen Häufigkeit von 8 Prozent auf. 3. Es ist möglich, mit einer relativ geringen Anzahl von Mutationsträgern starke und biologisch plausible Modifikatoren der Penetranz und Ausprägung zu identifizieren. Multivariate Untersuchungen sowohl auf phänotypischer als auch auf funktioneller Ebene liefern mechanistische Einblicke in die beteiligten Wirkungsweisen. 4. Derzeit entdeckte Modifikatoren sind unter anderen nukleäre genetische Faktoren, das mitochondriale Genom, Gen-Gen- und Gen-Protein-Interaktionen und Entzündungsreaktionen. 5. Diese Ergebnisse beginnen sich auf die Patientenberatung auszuwirken und haben translationales Potenzial für eine gezielte Behandlung.
Forschungsgruppen der Deutschen Forschungsgemeinschaft ermöglichen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, sich aktuellen und drängenden Fragen ihrer Fachgebiete zu widmen und innovative Arbeitsrichtungen zu etablieren. Klinische Forschungsgruppen sind zusätzlich durch die enge Verknüpfung von wissenschaftlicher und klinischer Arbeit charakterisiert. Im Ganzen fördert die DFG zurzeit 160 Forschungsgruppen, 13 Klinische Forschungsgruppen und 17 Kolleg-Forschungsgruppen.
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