Internationales kinder- und jugendpsychiatrisches Symposium am 27./28. September 2002
Wer kennt ihn nicht: Den Zappelphilipp aus Heinrich Hoffmanns "Struwwelpeter", der am Mittagstisch nicht still sitzen kann, mit dem Stuhl kippelt und schließlich "mitsamt dem Tischtuch und der Mahlzeit zu Boden geht." Der Zappelphilipp dient seit Erkennen von unruhig-impulsiven und dissozialen Verhaltensauffälligkeiten als Synonym für Hyperaktivität speziell bei Kindern und Jugendlichen, der so genannten Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS).
Am 27. und 28. September 2002 findet an der Universität zu Lübeck ein internationales Symposium "Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit ADHS: Bewährte und zweifelhafte Konzepte in Therapie und Pädagogik" statt (Hörsaal Z1/2 des Zentralklinikums, Beginn 10 Uhr). Veranstalter ist der Lehrstuhl und die Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie der Universität zu Lübeck (Prof. Dr. Ulrich Knölker) in Zusammenarbeit mit dem Lübecker Arbeitskreis überaktives Kind. Das Symposium bietet einen umfassenden Überblick über ADHS und ist ein Informationsportal für Psychiater, Psychologen, Ärzte, Eltern betroffener Kinder und vor allen Dingen auch für Lehrer.
Schwerpunkt des Symposiums, das an die erfolgreichen Tagungen der vergangenen Jahre zum Thema ADHS anschließt, ist es, aufzuzeigen, "was sich in den Jahren bewährt hat, welche Konzepte überflüssig sind und welche sogar eher schaden als nutzen", so Prof. Knölker.
Das Thema ADHS hat nichts an Aktualität eingebüßt: Prof. Knölker geht davon aus, dass ca. fünf Prozent der Kinder in Deutschland an ADHS-Symptome leiden und somit therapiebedürftig sind. Insofern leiden im Schnitt zwei bis drei Kinder in jeder Schulklasse unter einer Aufmerksamkeits-Hyperaktivitätsstörung. Das Thema ist für viele Eltern durch die vielen Veröffentlichungen mit teilweise zweifelhaftem Wert heute eher präsent als noch vor wenigen Jahren. "Nicht jedes lebhafte Kind hat sofort ADHS", führt Prof. Knölker aus. Das Symposium möchte dazu beitragen, dass die Fülle von neuen und veralteten Therapiemethoden reduziert wird, um auch die Behandlung letztendlich effizienter zu gestalten.
Bei ADHS kommt es zu einer Beeinträchtigung der neurobiologischen Abläufe in den Regionen des Gehirns, in denen die Informationsverarbeitung koordiniert und gesteuert werden. So funktioniert auch die Zusammenarbeit der Botenstoffe im Gehirn nur bedingt. Da das Gehirn die eingehenden Reize nicht optimal verarbeiten kann, führt das bei den Betroffenen zu einer ständigen Reizüberflutung und somit zu Verhaltensauffälligkeiten: Kinder mit ADHS sind unruhig und können sich oftmals schlecht konzentrieren. "Für diese Kinder ist alles gleich wichtig, da ihnen keine Filtermöglichkeit zur Verfügung steht", erläutert Prof. Knölker. Sein Vortrag auf dem Symposium hat das Thema "Zweifelhafte und unwirksame therapeutische Konzepte".
Die Ursachen der ADHS sind bisher noch nicht in allen Details erforscht. Hohe Erwartungen werden in die Behandlung mit dem Medikament Ritalin gesetzt. "Es übernimmt Funktionen der Reizfilterung und führt zu einer temporären Linderung der Unruhe und zu einer Steigerung der Konzentrationsfähigkeit", so Prof. Knölker. Ritalin sei hierbei jedoch nur die Basis einer Therapie. Vielmehr müsse diese von weiteren Therapien begleitet werden. Es lassen sich dadurch zwar die Symptome der Störung behandeln, heilbar ist ADHS jedoch damit nicht, da es sich hierbei um eine chronische Erkrankung handelt.
"Man muss bedenken, dass auch ein Zappelphilipp einmal erwachsen wird", so Prof. Knölker. Insofern ist auch die Betreuung durch Erwachsenenpsychiater von Nöten, da 40 - 60 Prozent der Kinder mit ADHS auch später noch die typischen Symptome zeigen. Diese Erkenntnis wurde erst in den letzten Jahren gewonnen. Thematisiert wird dieses Problem auf dem Symposium durch den Vortrag "Was hilft Erwachsenen mit ADHS" von Dr. med. Bernd Heßlinger von der Universitätsklinik Freiburg.
Alexander Steenbeck
Das vollständige Programm des Symposiums
Abstracts einzelner Vorträge können bei der Informations- und Pressestelle angefordert werden (Tel. 0451/500-3004, Fax -3016).
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