Renommiertester Dissertationspreis Deutschlands in der Informatik für Dr. Johannes Textor
Neue Forschungsergebnisse aus der Theoretischen Informatik verbessern die Methoden und Resultate der Molekularbiologie. Der Lübecker Dr. Johannes Textor erhielt den Preis der Gesellschaft für Informatik (GI) für die beste Informatik-Dissertation im deutschsprachigen Raum 2012. Der mit 5.000 Euro dotierte Preis wurde ihm auf der Jahrestagung der GI verliehen, die vom 16. – 21. September in Braunschweig stattfand.
In seiner Arbeit befasst sich Dr. Textor mit der analytischen Modellierung molekularbiologischer Vorgänge im menschlichen Immunsystem. Er hat sie am Institut für Theoretische Informatik der Universität zu Lübeck unter Betreuung von Prof. Dr. Rüdiger Reischuk sowie Prof. Dr. Jürgen Westermann, Institut für Anatomie, angefertigt.
Die Arbeit trägt den Titel „Search and Learning in the Immune System: Models of Immune Surveillance and Negative Selection“. Darin entwickelt Dr. Textor seine Modellierung als stochastische Suchprozesse sowie als Klassifikationsprobleme. Er analysiert diese de-tailliert und in ausgesprochen überzeugender Weise und entwickelt effiziente algorithmische Lösungsverfahren. Dabei sind seine Resultate zum Teil überraschend und widerlegen bisherige Erwartungen. Darüber hinaus zeigt er eindrucksvoll, dass die gefundenen Ergebnisse unmittelbar in der Molekularbiologie angewendet werden können und dort zu neuen, den bisherigen Stand der Technik erheblich verbessernden Methoden und Resultaten führen.
Mit der Arbeit von Johannes Textor zeichnet die GI damit erstmals eine stark interdisziplinäre Arbeit aus. Die Tatsache, dass hier Grundlagenergebnisse der Informatik auf wichtige Fragestellungen der Molekularbiologie angewendet wurden, ist kein Zufall, sondern ein Ergebnis der konsequenten Ausrichtung der Lübecker Universität auf die Kooperation von technischen Disziplinen (MINT = Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik) und den Lebenswissenschaften. Die Preisverleihung ist damit eine weitere Bestätigung dieser neuen Ausrichtung. Anfang des Jahres war in Lübeck der Wissenschaftscampus „BioMedTec“ gegründet worden.
Dr. Johannes Textor, 1979 in Göttingen geboren, studierte Informatik mit Anwendungs-fach Medizinische Informatik an der Lübecker Universität. 2006 erwarb er das Diplom in Informatik mit Auszeichnung. Seine Diplomarbeit „Ein hybrides Automatenmodell zur Simulation des Immunsystems“ wurde von seinem jetzigen Doktorvater Prof. Reischuk betreut. Seit seiner Promotion im August 2011, die mit dem Prädikat „summa cum laude“ ausgezeichnet wurde, arbeitet Dr. Textor als Postdoktorand an der Universität Utrecht im Institut für Theoretische Biologie und Bioinformatik unter der Leitung von Prof. Rob de Boer.
Hintergrund
Das Institut für Theoretische Informatik (ITCS) der Universität zu Lübeck erforscht die Grundlagen der algorithmischen Verarbeitung von Daten. Basis der Untersuchungen ist eine formale Modellierung, aus der mittels mathematischer Analysen präzise Aussagen gewonnen werden, welche unabhängig von speziellen Systemeigenschaften oder Technologiedetails gültig sind. Die Anwendungsgebiete sind vielfältig und reichen von Optimierungsproblemen, Kommunikationsnetzwerken, Daten- und Systemsicherheit sowie E-Commerce bis zur Bioinformatik und Immunologie, wo durch geeignete Modellbildungen und agentenbasierte Simulationen quantitative Vorhersagen über immunologische Prozesse gewonnen werden. Wichtige Hilfsmittel bei diesen Untersuchungen sind Methoden aus der Logik, der Diskreten Mathematik, insbesondere Kombinatorik und Graphentheorie, der Wahrscheinlichkeits- und Informationstheorie sowie der Zahlentheorie und Algebra. Das ITCS wird geleitet von Prof. Dr. Rüdiger Reischuk, unterstützt durch Prof. Dr. Till Tantau und Prof. Dr. Maciej Liskiewicz.
Die Gesellschaft für Informatik e.V. (GI) ist die größte Vereinigung von Informatikerinnen und Informatikern im deutschsprachigen Raum. Sie versteht sich als Plattform für Informatikfachleute aus Wissenschaft und Wirtschaft, Lehre und öffentlicher Verwaltung. Kernthemen der Arbeit der GI sind unter anderem die Nachwuchsförderung, der Wissenstransfer von der Forschung in die Anwendung, Fragen des Datenschutzes und der Sicherheit von Informatiksystemen. Die GI hat rund 20.000 persönliche Mitglieder, darunter 1.500 Studierende und knapp 300 Unternehmen und Institutionen (Quelle: www.gi.de).
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* Zur Abbildung: Simulation der Erkennung von Antigen in einem infizierten Lymphknoten des menschlichen Immunsystems. Die schwarzen Linien zeigen die - im Wesentlichen zufälligen - Bewegungspfade der einzelnen Zellen. Jedesmal, wenn eine Zelle auf Antigen trifft, verlangsamt sich die Bewegung ein wenig. Jeder Kreis in der Abbildung illustriert die Zahl (Kreisfläche) und Geschwindigkeit (Farbe) der Zellen im umgebenden Bereich des simulierten Lymphknotens nach zwei, vier, sechs und acht Stunden Suche. Nach acht Stunden haben alle Zellen das Antigen gefunden und ihre Bewegung entsprechend stark verlangsamt (rote Farben).
für die Ukraine