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Mittwoch, 19.05.2021

Forschung

950.000 Euro für Herzinfarkt-Forschung

Koronarangiographien von über 3000 Patienten, deren genetisches Profil bekannt ist, werden hinsichtlich des Vorliegens koronarer Kollateralgefäße analysiert (links). Diese durch erfahrene interventionelle Kardiologen des UKSH Lübeck annotierten Bilder dienen einer Künstlichen Intelligenz (KI) als Vorlage zur 3D-Rekonstruktion der Kollateralgefäße (Mitte). Diese lassen sich damit anatomisch aber auch funktionell charakterisieren und erlauben damit einen Abgleich dieser Charakteristika in großen Kohorten mit dem genetischen Profil der Patienten (rechts).

Das Universitäre Herzzentrum Lübeck leitet das internationale PROGRESS-Forschungsprojekt

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler untersuchen: Liegt es an der erblichen Veranlagung, dass einige Patientinnen und Patienten besser mit verstopften Herzgefäßen zurechtkommen als andere? 

Wenn die Herzkranzgefäße verstopft oder verletzt sind, können die Selbstheilungskräfte des Körpers Umgehungs- oder Ausweichgefäße bilden, um das lebenswichtige Organ weiter mit Nährstoffen zu versorgen. Dass sich bei manchen Patientinnen und Patienten zahlreiche solcher Gefäße (sogenannte Kollaterale) bilden, bei anderen hingegen kaum, ist eine Beobachtung, die bisher grundlagenwissenschaftlich nicht erklärt werden konnte.

Erbliche Veranlagung

Unter Leitung von Prof. Jeanette Erdmann und in Zusammenarbeit mit Prof. Harald Langer und Dr. Henry Nording vom Herzzentrum Lübeck, will ein Forscherteam aus fünf Ländern deshalb untersuchen, welche erblichen Veranlagungen Patientinnen und Patienten haben müssen, damit ihre Herzkranzgefäße Kollaterale bilden. Solche „Umgehungskreisläufe“ können bei einem akuten Herzinfarkt Leben retten, aber auch generell die Leiden von Herzkranken lindern. Die Europäische Forschungsförderung (ERA PerMed 2020) unterstützt das dreijährige Projekt mit 950.000 Euro.

PROGRESS steht für PRecisiOn medicine in CAD patients: artificial intelliGence for integRated gEnomic, functional and anatomical aSSessment of the coronary collateral circulation. In dem internationalen Projekt arbeiten Kliniker, Genetiker, Statistiker und Informatiker eng zusammen. Zum Team gehören Prof. Jeanette Erdmann vom Institut für Kardiogenetik der Universität Lübeck, Prof. Lucian Itu von der Transilvania University of Brasov (UTBV) in Rumänien, Dr. Baiba Vilne von der Rīga Stradiņš University (RSU) in Lettland, Dr. David-Alexandre Trégouët von der Universität Bordeaux (UBx) in Frankreich, Prof. Niels Van Royen von der Radboud University, Nijmegen (RU) in den Niederlanden sowie Prof. Harald Langer und Dr. Henry Nording vom Universitätsklinikum Schleswig-Holstein in Lübeck.

Große Relevanz

„Die Idee zum PROGRESS-Projekt stammt aus der Diskussion von Dr. Nording aus Lübeck und Prof. Itu aus Brasov in Rumänien“, sagt Frau Professorin Erdmann. Die beiden Nachwuchswissenschaftler hätten die Idee gehabt, Künstliche Intelligenz und genetische Analysen im Kontext von Koronarangiographien, einer speziellen Form der Röntgenuntersuchung zur Untersuchung der Durchblutung des Herzmuskels, zu verbinden. „Dabei sind sie auf das bisher unzureichend verstandene Thema des koronaren Kollateralkreislaufes gestoßen“. Spezialisten für Bioinformatik aus Lübeck, Lettland und Frankreich wollen die Daten zum Kollateralkreislaufsystem mit den genetischen Informationen verknüpfen. Daraus, so hoffen die Wissenschaftler, werde sich zeigen, ob die Unterschiede bei der Bildung von Kollateralen erblich bedingt sind. 

Der Kardiologe Prof. Harald Langer von der Universität zu Lübeck betont, dass dieses Forschungsprojekt von großer Relevanz für die Kardiologie ist. „Wenn Kollateralen gut ausgeprägt sind, sind die Überlebenschancen nach einem Herzinfarkt deutlich besser. Wenn wir dieses Phänomen besser verstehen, können wir Patienten im Herzkatheterlabor noch gezielter behandeln.“