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Donnerstag, 22.08.2013

Studium

Drum prüfe, was sich wirksam bindet

Wirkstoffforschung an der Graduate School der Universität zu Lübeck

Workshop der Graduate School zu moderner Wirkstoffforschung zwischen Informatik und Biomedizin

Die Nachfrage nach neuen Medikamenten steigt kontinuierlich. Die Gründe dafür sind vielfältig. In den westlichen Staaten haben gerade die gute medizinische Versorgung und ein hoher Lebensstandard dazu geführt, dass die Lebenserwartung steigt  - und damit auch die Wahrscheinlichkeit einmal im Leben an einer komplexen Krankheit wie Krebs, Diabetes, Rheuma, Parkinson oder Demenz zu erkranken. Diese sind bislang nicht oder eingeschränkt heilbar, in Diagnose und Therapie für Patienten individuell anzupassen und wegen einer Vielzahl miteinander verwobener Stoffwechselprozesse ursächlich bislang nicht zu behandeln. Hinzu kommt, dass viele Krankheitserreger Resistenzen gegen Wirkstoffe entwickeln –  kontinuierlich wird daher nach neuen wirksamen Komponenten gefahndet. Und auch an Behandlungsmöglichkeiten der vielen seltenen Erkrankungen wird mit der zunehmenden Vernetzung von Betroffenen und der berechtigten medialen Öffentlichkeit für Erkrankte verstärkt geforscht. 

Traditionell werden neue Wirkstoffe durch Ausprobieren von Substanzen auf zellulärem Gewebe gefunden. Ein Verständnis für die zugrunde liegenden Mechanismen auf molekularer Ebene war zunächst nachrangig. Dies ändert sich durch die Erkenntnisse aus der Genomforschung: inzwischen können vielfach die für Erkrankungen wesentlichen Stoffwechselpfade identifiziert werden, mitsamt der regulierenden Rezeptoren, für die auf dem Computer gezielt nach Wirkstoffen in Datenbanken geforscht werden kann. In der Praxis ergänzen sich heute beide Ansätze.

Welch wichtigen Beitrag die rechnergestützte Wirkstoffforschung - das sogenannte in silico screening - inzwischen bei der Entdeckung neuer chemischer Wirkstoffe leistet, darüber berichten die Bioinformatiker Michel Sanner und Stefano Forli vom renommierten kalifornischen Scripps Research Institute, sowie der Biologe Björn Windshügel von der in Hamburg ansässigen European ScreeningPort GmbH in einem öffentlichen Vortrag am 16.09 2013 um 18:30 Uhr im Gebäude 64, Erdgeschoss, Raum 68/69 (Karp/Cook).

Die kalifornischen Wissenschaftler, beide maßgeblich an der Entwicklung der Open Source Software AutoDock beteiligt, stellen die faszinierende Arbeit im Molecular Graphics Lab des kalifornischen Scripps Research Institute vor und sprechen auch über das dort initiierte FightAIDS(at)home – ein Grid-Computing-Projekt, das die Kapazitäten vieler verstreut liegender Rechner zu einer Art „Supercomputer“ bündelt und es jedermann ermöglicht, die Fahndung nach immer neuen HIV-Inhibitoren mit dem Arbeitsspeicher des eigenen Heim-PCs zu unterstützen.

Dr. Windshügel, Leiter des Bioinformatik-Teams bei der European ScreeningPort GmbH in Hamburg, berichtet im Anschluss über die vielfältigen Möglichkeiten und Einsatzbereiche des virtuellen Screenings und gibt interessante Einblicke in die Arbeit dieses Unternehmens. Die Firma wurde 2007 als öffentlich-private Partnerschaft gegründet und bietet sowohl nasschemisches, als auch virtuelles Screening speziell für akademische Forschungsinstitute an. Neben der physikalisch vorhandenen Substanz-Bibliothek für nasschemisches Screening mit mehr als 600.000 verschiedenen Molekülen hat das Unternehmen auch Zugriff auf über 10 Millionen virtuelle Substanzen, die mittels verschiedener computer-basierter Methoden auf deren Eignung als Ausgangspunkt für die Arzneistoffentwicklung getestet werden können.

Stefano Forli und Michel Sanner befinden sich anlässlich eines vom Lübecker Graduiertenkolleg 1727  und der Graduate School for Computing in Medicine and Life Sciences initiierten  AutoDock-Workshops an der Universität zu Lübeck. Auch kleinere Arbeitsgruppen an Universitäten und in der Industrie erhalten durch die kompakte Schulung aus erster Hand die Möglichkeit, die AutoDock-Software effektiv in ihre Forschungsarbeit zu integrieren

Die Vorträge finden in englischer Sprache statt. Der Eintritt ist frei.