Mythos „Vertrauenskrise“: Weltweite Studie mit Lübecker Beteiligung zeigt stabiles Vertrauen in die Wissenschaft
Wissenschaft spielt eine zentrale Rolle bei der Bewältigung globaler Herausforderungen wie Pandemien, Klimawandel und technologischer Entwicklung. Doch immer wieder wird behauptet, dass das Vertrauen in Wissenschaft und Forschung in einer Krise steckt. Eine großangelegte internationale Studie mit über 71.900 Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus 68 Ländern, veröffentlicht in Nature Human Behaviour, zeigt jedoch ein differenzierteres Bild:
Das Vertrauen in Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ist weltweit stabil und moderat hoch – allerdings mit regionalen und politischen Unterschieden. Zudem wünschen sich viele Menschen, dass Forschende aktiver in gesellschaftliche und politische Debatten eingreifen. Die Universität zu Lübeck war an dieser umfassenden Studie beteiligt.
Die Untersuchung zeigt, dass 78 Prozent der Befragten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler als qualifiziert einstufen, 57 Prozent ihre Ehrlichkeit schätzen und 56 Prozent überzeugt sind, dass sie sich für das gesellschaftliche Wohl einsetzen. Diese Ergebnisse stehen im Widerspruch zur weitverbreiteten Annahme einer Vertrauenskrise in die Wissenschaft. Vielmehr bleibt das Vertrauen in vielen Ländern auf einem stabilen Niveau.
Deutschland im internationalen Vergleich: Vertrauen eher zurückhaltend
Ein zentrales Ergebnis: 76 Prozent der Befragten weltweit wünschen sich, dass sich Forschende stärker in gesellschaftliche und politische Diskussionen einbringen. „Es ist entscheidend, dass Wissenschaftlerinnen ihre Expertise öffentlich einbringen – insbesondere bei drängenden Fragen wie dem Klimawandel oder der öffentlichen Gesundheit“, betont Prof. Dr. André Calero Valdez, einer der Studienautoren aus dem Institut für Multimediale und Interaktive Systeme der Universität zu Lübeck.
Obwohl das Vertrauen in Wissenschaft in vielen Ländern hoch ist, gibt es bemerkenswerte regionale Unterschiede. Während es in afrikanischen und nordeuropäischen Ländern besonders stark ausgeprägt ist, liegt Deutschland im unteren Mittelfeld. Auch der Wunsch nach stärkerem politischen Engagement von Forschenden ist hierzulande mit 62 Prozent etwas geringer als im globalen Durchschnitt.
„Es lohnt sich, genauer zu untersuchen, warum das Vertrauen in Deutschland niedriger ist als in vergleichbaren Ländern wie Dänemark oder Irland“, erklärt Lilian Kojan, eine weitere Mitautorin und ebenfalls aus dem Institut für Multimediale und Interaktive Systeme der Universität. „Besonders in einer Zeit, in der wissenschaftsbasierte Entscheidungen für Politik und Gesellschaft wichtiger denn je sind, brauchen wir einen offenen Dialog und mehr Transparenz über wissenschaftliche Prozesse.“
Forschung nicht nur betreiben, sondern sie auch verständlich kommunizieren
Ein weiteres zentrales Ergebnis der Studie betrifft den Einfluss politischer Überzeugungen auf das Vertrauen in Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler:
Diese Ergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit, Wissenschaftskommunikation gezielt an verschiedene gesellschaftliche Gruppen anzupassen.
Vertrauen in die Wissenschaft ist essenziell für die gesellschaftliche Akzeptanz wissenschaftlicher Erkenntnisse – sei es bei Impfungen, Klimaschutzmaßnahmen oder technologischen Innovationen. Die Studie zeigt, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler trotz eines stabilen Vertrauensniveaus mehr für den Austausch mit der Gesellschaft tun können. Gerade in Zeiten von Fake News und wissenschaftsskeptischen Bewegungen wird es immer wichtiger, Forschung nicht nur zu betreiben, sondern sie auch verständlich zu kommunizieren und in gesellschaftliche Diskurse einzubringen.
für die Ukraine