Studie in Lübeck, München und London: Wie wir uns in sozialen Situationen verhalten, hängt zu einem guten Teil davon ab, wie wir vorher gegessen haben
Unser Verhalten ist messbar davon abhängig, was wir zu uns genommen haben. Dies zeigt eine aktuelle Studie, deren Ergebnisse in der renommierten Wissenschaftszeitschrift “Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America” (PNAS) veröffentlicht wurden ("When food dictates your choice, the impact of nutrition on social decision making").
Prof. Dr. Soyoung Park, Professorin für Sozialpsychologie und Neurowissenschaft der Entscheidung an der Universität zu Lübeck, leitete die Studie: „Tier- und Humanstudien haben schon vor vielen Jahren gezeigt, dass die Zusammensetzung unserer Nahrung Einfluss auf die im Gehirn zur Verfügung stehenden Neurotransmitter hat. Bisher war jedoch nicht klar, ob dies in einem Maß geschieht, welches tatsächlich unser Verhalten messbar verändert.“ Genau dieser Frage ist das Wissenschaftlerteam rund um Prof. Dr. Soyoung Park und Prof. Dr. Sebastian Schmid aus der Medizinischen Klinik I des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein, Campus Lübeck nachgegangen.
Dass wir das Essen zum Überleben brauchen, ist uns allen bewusst. Vielen ist aber nicht klar, dass das Essen neben unserem Energiehaushalt auch viele weitere biochemische Abläufe beeinflusst. Jede Mahlzeit besteht aus verschiedenen Makronährstoffen, nämlich Kohlenhydraten, Fett und Protein. Das Verhältnis dieser Makronährstoffe zueinander steuert unseren Aminosäure-Haushalt, welcher wiederum maßgeblich mitbestimmt, welche Neurotransmitter in unserem Gehirn zur Verfügung stehen.
Unfaire Angebote werden von Probanden je nach zurückliegendem Frühstück unterschiedlich bewertet
„Um zu erforschen, in wie weit unser tägliches Essen unser Verhalten bestimmt, haben wir zwei separate Studien durchgeführt. In beiden haben wir uns auf das Frühstück konzentriert, da dieses, im Vergleich zu anderen Mahlzeiten, auf nüchternen Magen eingenommen wird und somit mögliche Ergebnisse nicht durch vorherige Mahlzeiten verfälscht werden", erklärt Dr. Sabrina Strang, Erstautorin der Studie.
In der ersten Studie wurden 87 Probanden gebeten, im Detail anzugeben, was sie zum Frühstück gegessen haben. Weiterhin wurden sie mit einem unfairen Angebot eines anderen Probanden konfrontiert, worauf sie reagieren konnten. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass es einen Zusammenhang zwischen der Makronährstoff-Komposition des Frühstücks und der Reaktion der Probanden auf unfaire Angebote gibt. Je höher der berichtete Anteil an Kohlehydraten im zurückliegenden Frühstück war, desto sensibler reagierten die Probanden auf unfaire Angebote.
Frühstückszusammensetzung beeinflusst metabolische Werte und soziale Entscheidungen
„Diese Ergebnisse haben uns dazu motiviert, eine weitere gut kontrollierte Studie unter Laborbedingungen durchzuführen, in der wir einen kausalen Zusammenhang zwischen Makronährstoffkomposition beim Frühstück, biochemischen Abläufen und Verhalten herstellen wollten. Hierzu haben wir den Probanden an zwei verschiedenen Tagen Frühstück mit unterschiedlicher Makronährstoff-Komposition serviert und anschließend ihre biochemische Reaktion mit Hilfe von regelmäßigen Blutabnahmen erfasst. In beiden Versuchsbedingungen sollten sie am späten Vormittag, wie in der ersten Studie auch, auf unfaire Angebote reagieren“, berichtet der ärztliche Studienleiter Prof. Dr. Sebastian Schmid.
Das Forscherteam konnte die Ergebnisse der ersten Studie bestätigen; abhängig vom Kohlehydratanteil im Frühstück reagierten Probanden unterschiedlich auf unfaire Angebote. Zudem konnten die Forscher zeigen, dass der Tyrosin-Spiegel der Probanden durch die Makronährstoff-Komposition deutlich beeinflusst wurde. Je höher der Kohlehydratanteil und je niedriger entsprechend der Proteinanteil war, umso niedriger waren die Tyrosin-Spiegel während am nachfolgenden Vormittag.
„Diese Ergebnisse sind an sich schon sehr interessant. Wir konnten darüber hinaus aber auch noch zeigen, dass die Veränderung des Tyrosin-Spiegels in einem direkten Zusammenhang mit den Reaktionen auf unfaire Angebote steht. Dieses Ergebnis macht deutlich, dass unsere Ernährung großen Einfluss auf unseren Neurotransmitter Haushalt hat und dieser wiederum unser Verhalten bestimmt“, erläutert Prof. Dr. Hendrik Lehnert, Mit-autor der Studie.
Ausgewogene Ernährung ist sowohl für den Körper als auch für die Psyche essentiell
Die Studie zeigt also, dass unsere Ernährung einen stärkeren Einfluss auf unser Leben hat als bisher vermutet. „Diäten, wie die derzeit beliebte ‚Low Carb‘-Diät, sollten vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse kritisch betrachtet werden. Sie führen zwar eventuell zu dem gewünschten Gewichtsverlust, beinhalten aber ein extrem unausgewogenes Verhältnis von Kohlehydraten und Proteinen und können dadurch einen direkten Einfluss auf unser alltägliches Verhalten haben“, gibt Dr. Sabrina Strang zu bedenken. Prof. Dr. Soyoung Park fügt hinzu: „Auch das Essen in Großkantinen wie zum Beispiel in Schulen, Kindergärten, großen Betrieben oder bei der Bundeswehr, sollte in Bezug auf die Makronährstoff-Zusammensetzung überdacht werden.“
Publikation:
When food dictates your choice, the impact of nutrition on social decision making. Sabrina Strang, Christina Hoeber, Olaf Uhl, Berthold Koletzko, Thomas F. Münte, Hendrik Lehnert, Raymond J. Dolan, Sebastian M. Schmid, and Soyoung Q. Park. PNAS.
DOI: www.pnas.org/cgi/doi/10.1073/pnas.1620245114
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