Prof. Dr. Christina Schües spricht am 15. Dezember 2011 im Studium Generale über Kinder als Spender (19.15 Uhr, Audimax)
Ist die Knochenmarkspende von nicht-einwilligungsfähigen Menschen legitim? Für eine wachsende Reihe von lebensbedrohlichen Erkrankungen des Blutes, des Knochenmarks und bei verschiedenen Krebsarten ist die Transplantation von Blutstammzellen eine medizinisch aussichtsreiche, häufig sogar alternativlose und lebensrettende Behandlung. Sind Kinder erkrankt, können der Bruder oder Schwester, die am ehesten gewebekompatibel sind, Knochenmarkspender werden.
Eine Knochenmarkspende bedeutet notwendig eine Körperverletzung. Doch bei einer Transplantation liegen die medizinische Indikation und der Nutzen allein beim Empfänger. Wenn Erwachsene spenden, ist die freie Entscheidung für einen solchen medizinischen Eingriff moralisch und rechtlich zentral. Doch sehr jungen Minderjährigen können ihre freie und informierte Zustimmung (oder Ablehnung) für solch eine Stammzellentnahme nicht geben, somit ist ihre Freiwilligkeit nicht gewährleistet. Die Eltern stehen vor dem Konflikt gegensätzlicher Fürsorgepflichten: Die Verletzung des einen Kindes bedeutet das (mögliche) Wohl des anderen, kranken Kindes.
Die Hilfeleistung und der Beistand für das lebensbedrohlich kranke Kind sind vor dem Hintergrund der Familiensolidarität geboten. Doch rechtlich und ethisch ist die „Sache“ unklar. Die Spenden-Konstellation verweist auf grundsätzliche philosophische Probleme.
Prof. Dr. Christina Schües ist Gastprofessorin für Philosophie am Institut für Medizingeschichte und Wissenschaftsforschung, Universität zu Lübeck, und apl. Professorin am Institut für Kulturtheorie, Kulturforschung und Künste an der Leuphana Universität, Lüneburg. Lehrtätigkeit in Philadelphia (USA), Hamburg, Lüneburg und Vechta. Sie lehrt und forscht in den Bereichen der Anthropologie, Ethik, Erkenntnistheorie und politischen Philosophie in historischer und systematischer Perspektive. Ihr Forschungsinteresse richtet sich auf Fragen der conditio humana; Zeitdimensionen des Ethischen, Geburt, Alter(n) und Generativität. Ihr gegenwärtiges Augenmerk gilt insbesondere dem „Kindeswohl“ und der Praxis mit Minderjährigen im medizinethischen Kontext der fremdnützigen Intervention.
Publikationen: Philosophie des Geborenseins, Freiburg 2008;Time in Feminist Phenomenology, hrsg. mit D. Olkowski, H. Fielding, Bloomington 2011.
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