Website
Aktuelles
Donnerstag, 21.11.2024

Veranstaltungen

Die Zukunft gehört denen, die etwas tun!

Fotos: Guido Kollmeier / Universität zu Lübeck

Ein Plädoyer für Mut und Verantwortung in stürmischen Zeiten: LH3-Abend im CBBM

Bevor die zahlreichen Gäste das Forschungsgebäude CBBM auf dem Lübecker Campus betreten konnten, mussten sie sich draußen durch stürmisches und kaltes Novemberwetter kämpfen. Drinnen gab es dafür ein warmes Plädoyer für Mut und Verantwortung in stürmischen Zeiten – so der Titel der LH3-Veranstaltung. „Das Motto hat sich als visionär erwiesen – legten wir es doch schon vor Monaten fest, als wir noch nicht absehen konnten, welche internationalen und nationalen Entwicklungen in diesen Wochen und Monaten auf uns zukommen würden“ sagte Prof. Dr. Gabriele Gillessen-Kaesbach, kommissarische Präsidentin der Universität zu Lübeck zur Begrüßung. Gemeinsam mit Yvonne Plaul, der Kanzlerin der Technischen Hochschule Lübeck, und Prof. Dr. Bernd Redmann, dem Präsidenten der Musikhochschule Lübeck, hieß sie die zahlreichen Gäste im Namen des Projekts Lübeck hoch 3 willkommen.

„LH3 ist ein Gemeinschaftsprojekt der Hochschulen und es ist auch ein Geschenk. Denn das Leben und Arbeiten an Hochschulen ist ein Mutmacher per se. An unseren Hochschulen können wir der Zukunft jeden Tag beim Wachsen zuschauen.“ betonte Plaul. Zum Motto des Abends ergänzte Gastgeber Prof. Dr. Bernd Redmann: „Als Ausbildungsinstitutionen sind wir uns darüber bewusst, dass wir die Studierenden mit in die Welt hineinbegleiten. Für die MHL bedeutet das auch: Musik verkörpert universelle Werte wie Zusammenarbeit und Achtsamkeit, wir wirken in die Gesellschaft hinein.“

Den Impulsvortrag des Abends hielt Prof. Dr. Patrick Cramer, der Präsident der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V.: „Ich wollte Sie erinnern an den Lübecker Willy Brandt und seinen Kniefall. Er kniete rund 14 Sekunden und als er sich wieder erhob, hatte er ein großes Zeichen gesetzt - mitten im kalten Krieg.“ begann Patrick Cramer seine Rede. Dabei wies er darauf hin, dass eben dieser Kniefall von vielen für als nicht angemessen bewertet wurde und international wurde er zunächst nicht einmal groß bemerkt. Gerade deshalb war eben dieser Kniefall sehr mutig. Auch auf aktuelle internationale Herausforderungen kam er zu sprechen. So berichtete er, dass er vorhabe, weiterhin mit den USA im Gespräch zu bleiben. Auch mit China wolle er weiterhin im Bereich der Forschung zusammenarbeiten, trotz Skeptiker*innen. Es brauche Mut, auch in strittigen Situationen klare Entscheidungen zu treffen – nicht ohne kluge Leitlinien dazu und informierten Austausch. „Wir trauen uns auch, heikle Fragen anzusprechen. Wir kommen voran, weil wir mit China sprechen und nicht über China.“ so Cramer. Um Konflikten zu begegnen, müssen wir selbst stark sein „Ohne eine starke europäische Forschung können wir nicht agieren. Dazu müssen wir mehr in Forschung investieren.“ forderte Cramer.

Während er Vielfalt an deutschen Hochschulen und in der Forschungslandschaft ausdrücklich befürwortete, wies er auch darauf hin, dass die Welt mit ihren Konflikten und eine Bedrohung der Demokratie von außen auch zu uns getragen würden. Er warnte vor Politisierung und Spaltung, wenn institutionelle Neutralität nicht gewahrt werde. Bei Angriffen auf die Wissenschaftsfreiheit hingegen sei vornehme Zurückhaltung falsch am Platz. Hier müsse man sich zu Wort melden.

Diskurs ist Teil der Suche nach Wahrheit

„Keine Kulturkämpfe auf dem Campus. Wir schützen den Diskursraum.“ war das Fazit des Präsidenten der Max-Planck-Gesellschaft. Zum Abschluss warb er in Bezug auf den russischen Angriffskrieg für mehr Resilienz, die er auf beeindruckende Weise im Rahmen eines Besuchs in der Ukraine beobachten konnte und für mehr Ausgaben in Deutschland für die Verteidigung. „Wir benötigen auch Verteidigungsforschung.“ gab er deshalb zu bedenken und lud dazu ein, den Blick in die Nachbarländer zu werfen. Geopolitische Konflikte gehen mit Herausforderungen einher – auch für die Wissenschaft. „Um diesen Herausforderungen zu begegnen, müssen wir langfristig denken. Dazu gehört zum Beispiel auch, dass wir Kontakte mit russischen Kolleg*innen aufrecht erhalten, um irgendwann wieder Brücken bauen zu können.“ sagte Cramer zum Abschluss seines Impulsvortrags und schloss mit der Aussage: „Eine mutige Wissenschaft ist das, was wir beitragen können.“

Bunte Mischung im Forschungsgebäude

„Es ist immer schon einer dagewesen“ zitierte Schauspielerin Katharina Pütter kurz darauf im Rahmen einer Lesung Kurt Tucholsky. Ein Text, der auf unterhaltsame Weise darauf hinwies, dass nur wenige Menschen die Ersten in etwas sein können – und es dennoch lohnt, eigene Abenteuer zu erkunden und die eigene Neugier ernst zu nehmen. Auch mutmachende Lyrik und Texte von Anna Ritter, Otto Ernst, Elisabeth Borchers, Joachim Ringelnatz, Micheal Ende und Hilde Domin trug die Schauspielerin vor. Musikalisch begleitet wurde sie bei der Lesung durch Paula Breland an der Klarinette. In Erinnerung blieb die ebenfalls vorgetragene Grabinschrift von Hilde Domin, die nach einem bewegten und schwierigen Leben folgenden Satz für das Grab ihres Mannes und sich selbst wählte: „Wir setzten den Fuß auf die Luft – und sie trug.“

Prof. Dr. Annette Grüters-Kieslich, der Vizepräsidentin der European Federation of Academies of Sciences and Humanities und Moderatorin der Veranstaltung, leitete im Anschluss die Podiumsdiskussion des Abends. Es diskutierten Prof. Dr. Peter-André Alt, Vorsitzender der Wübben Wissenschaftsstiftung gGmbh und Prof. Dr. Patrick Cramer mit Stefan Dräger, dem Vorstandsvorsitzenden der Drägerwerk Verwaltungs-AG und Prof. Dr. Sabine Kunst, Vorstandsvorsitzende der Joachim Herz-Stiftung. „Alle Gäste haben in diversen Leitungspositionen Verantwortung übernommen und Gestaltungswillen gezeigt. Dafür bedarf es Mut“, leitete Moderatorin Grüters-Kieslich die Podiumsdiskussion ein.

Mut zur Veränderung – aber nicht gleich am Anfang

„Weitreichende Entscheidungen kann man nur treffen, wenn es Vertrauen gibt“ sagte Alt zu Beginn der Diskussion. Sabine Kunst pflichtete ihm bei, indem sie unterstrich, dass Alleingänge nicht sehr zielführend seien. Diese Erfahrung habe sie als Bildungsministerin von Brandenburg gemacht, als sie sich Mitstreiter*innen suchte, um politische Entscheidungen durchsetzen zu können. Auch der richtige Zeitpunkt und eine gute Vorbereitung seien essenziell, um Veränderungen zu erwirken. Auch unter Zeitdruck zu handeln, wie in einer Corona-Pandemie, sei möglich, wenn man sich die Fähigkeit bewahre nach vorn zu blicken, berichtete Dräger. Er hatte in der Pandemie die weltweit benötigten Beatmungsgeräte produziert. Um bessere Teilhabe von Nachwuchswissenschaftler*innen ging es außerdem auf dem Podium. Partizipation und Ressourcen seien nötig, war sich die Runde einig. Bürokratie und Regulationsfreudigkeit in Deutschland hingegen wurden als Bewegungshemmer angeführt, die auf der anderen Seite auch als Vorwand für Resignation und für ein auf-der-Stelle-treten angeführt werden können. Immer wieder kamen die Diskutant*innen dennoch auf die Wissenschaft zurück und erinnerten beispielsweise daran, dass es neuer Ideen bedarf, um zu forschen und auch die Förderung dafür zu erhalten – beim Excel-Tabellen ausfüllen komme man nicht auf gute Ideen, so der Tenor. „Dass drei Hochschulen in Lübeck an einem Strang ziehen, ist wirklich bemerkenswert“ lobte Patrick Cramer „und das auch noch in eine Richtung.“ Solche Synergien seien es, die mit wenig Aufwand zu großen Veränderungen kommen könnten.

„Es gibt nichts Gutes, außer man tut es“ (Erich Kästner)

Im Anschluss an die Podiumsdiskussion wurden weitere Ausschnitte von literarischen Werken und musikalische Beiträge vorgetragen. Sogar der Duden wurde bemüht – mit vorgetragenen Definitionen der Worte „Mut“ und „Verantwortung“. Gemein hatten die Beiträge, dass sie Mut machen wollten auf ein Ausprobieren, Mut zum Fehler, Mut zum Tun. Das letzte Wort hatten die Gastgeber*innen des Abends: Für das LH3-Board bedankte sich Prof. Dr. Gabriele Gillessen-Kaesbach bei allen Teilnehmenden auf der Bühne, der Possehl-Stiftung für ihre finanzielle Unterstützung und bei dem Publikum, das sich trotz des Wetters zum LH3-Abend gewagt hatte.

Den Impulsvortrag hielt Prof. Dr. Patrick Cramer, der Präsident der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V

Für den Mut zum Tun plädierten die Podiumsgäste

Das Foyer des Forschungsgebäudes CBBM war festlich geschmückt für die LH3-Veranstaltung

Jeder Gast wurde persönlich begrüßt

Mut und Verantwortung wurden auch auf lyrische und musikalische Weise thematisiert

Vollbesetzte Stuhlreihen - die Veranstaltung war sehr gut besucht