Interaktion in der Online-Lehre: Universitätslehrpreis 2021 für Dr. Sarah Jessen
Priv.-Doz. Dr. Sarah Jessen ist die Trägerin des Lehrpreises 2021 der Universität zu Lübeck. Der Preis, der in diesem Jahr unter dem Motto „Interaktion in der Online-Lehre“ stand, wurde ihr von der Präsidentin der Universität, Prof. Dr. Gabriele Gillessen-Kaesbach, am 24. November im Lübecker Kolosseum feierlich verliehen. Mit ihm wird Dr. Jessen, die im Fach Psychologie habilitiert und an der Klinik für Neurologie des Universitätsklinikums tätig ist, für ihre Lehre im Fach Sozialpsychologie ausgezeichnet. Laudatorin bei der Preisverleihung war Juliana Wiechert, die Leiterin des Dozierenden-Service-Centers der Universität.
Priv.-Doz. Dr. phil. Sarah Jessen, 1983 in Bielefeld geboren, machte 2006 ihren Bachelor in Cognitive Science an der Universität Osnabrück und 2008 den Masterabschluss in Neuro- und Verhaltenswissenschaften an der Universität Tübingen. 2012 wurde sie an der Freien Universität Berlin promoviert. Die Forschungen für ihre Dissertation hatte sie am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig gemacht, wo sie auch als Postdoc-Stipendiatin tätig war. Seit 2016 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Universitätsklinik für Neurologie in Lübeck. 2021 habilitierte sie sich im Fach Psychologie an der Universität zu Lübeck.
Dr. Sarah Jessen war anlässlich der Auszeichnung mit dem Lehrpreis bereit, für den Newsletter die folgenden Fragen zu beantworten:
Welches sind wesentliche Inhalte und Fähigkeiten, die Sie Ihren Studierenden im Fach Sozialpsychologie vermitteln möchten?
Das Fach Sozialpsychologie beschäftigt sich damit, wie die Anwesenheit anderer unser Denken, Fühlen und Handeln beeinflusst. Das von mir unterrichtete Modul ist eine Einführungsveranstaltung, d.h. ein wichtiges Ziel ist es, den Studierenden einen grundlegenden Überblick über wichtige Forschungsthemen, Theorien und auch Experimente des Faches zu geben. Dazu gehören so unterschiedliche Themen wie Emotionswahrnehmung, Rassismus und Vorurteile, Hilfeverhalten und Aggression. Neben den fachlichen Inhalten ist es mir aber genauso wichtig, den Studierenden grundlegende Fähigkeiten des wissenschaftlichen Arbeitens näherzubringen. Wie lese ich also beispielsweise wissenschaftliche Text und ordne sie kritisch in einen größeren Kontext ein? Wie kann ich wissenschaftliche Ergebnisse zielgruppengerecht für welches Publikum in welchen Formaten vermitteln? Wie setze ich selbstständig und strukturiert ein größeres Projekt um? All diese Ziele werden primär im Seminar in der Projektarbeit praktisch ausprobiert.
An Studierende welcher Studiengänge und Semester wenden sich Ihre Lehrveranstaltungen?
Das Modul Sozialpsychologie ist eine Pflichtveranstaltung für Studierende des Bachelorstudiengangs Psychologie, die laut Studienplan im dritten Fachsemester besucht wird. Des Weiteren können Studierende aus dem Bachelorstudiengang Ergotherapie/Logopädie dieses Modul als Wahlfach belegen.
Gibt und gab es besondere Resonanz der Studierenden zu bestimmten Punkten in Inhalt und Form Ihrer Veranstaltungen?
Besonders begeistert hat die meisten Studierenden die Projektarbeit im Seminar, bei der sie sich über das gesamte Semester hinweg mit einem selbstgewählten Thema der Sozialpsychologie in einer selbstgewählten Form beschäftigen konnten. Zum einen konnten die Studierenden so an einem Thema arbeiten, das sie wirklich persönlich interessiert hat, zum anderen kam oft das Feedback, dass sie dadurch zum ersten Mal eine wirkliche praktische Relevanz ihres Studiums erleben konnten.
Außerdem wurde oft rückgemeldet, dass die Studierenden es gut fanden, dass die Modulnote nicht nur aus einer Klausur am Ende resultiert, sondern sich aus verschiedenen Anteilen (Klausur, Seminarprojekt, kleinere Zwischenaufgaben) zusammensetzt. Viele Studierende fanden auch die unterschiedlichen Interaktionsformate sehr positiv.
Welche Erfahrungen haben Sie mit der Interaktion in der Online-Lehre gemacht?
Ich habe sehr viele verschiedene Formate ausprobiert; asynchrone Videos, synchrone Q&A-Sessions und Seminarsitzungen, Kleingruppenarbeit in Breakoutrooms, Teammeetings mit nur zwei Studierenden, Abschlusspräsentationen in Form einer digitalen Postersession oder Vernissage.
Im Fazit würde ich sagen, dass gerade die Kombination der Formate für viele Studierende sehr interessant und passend war und auch in der Evaluation von unterschiedlichen Studierenden unterschiedliche Formate favorisiert wurden. Am unergiebigsten waren meiner Ansicht nach synchrone Seminarsitzungen mit der gesamten Gruppe; fast keiner hat die Kamera an, es beteiligen sich wenn überhaupt nur zwei bis drei Personen, und es kam nur selten eine echte Diskussion oder Austausch zustande.
Sehr gut haben hingegen themenbezogene Breakoutrooms funktioniert, also Kleingruppendiskussionen unter den Studierenden (quasi Peer-Counseling), und Teammeetings mit wenigen Studierenden. Und auch die „Vernissage“ am Ende, bei der immer drei bis fünf Studierende parallel ihre Projekte präsentiert haben und die anderen von Webex-Raum zu Webex-Raum „gehen“ konnten, um sich die Projekte anzuschauen, war sehr spannend und hat super funktioniert. Zusammenfassend würde ich sagen, dass eigentlich alles gut funktioniert hat, was von der großen Gruppe weg hin zu individuellerer Interaktion ging.
Sehen Sie Potenziale der Online-Lehre, die die Dozierenden an den Hochschulen eventuell künftig stärker nutzen sollten, auch wenn sie durch die Pandemie nicht mehr erzwungen sind?
Ein Interaktionsformat, das sich im Seminar sehr bewährt hat und das sich online, denke ich, besser als in Präsenz umsetzen lässt, sind kurze Meetings mit wenigen Studierenden statt komplette Seminarsitzungen. Mehrmals im Semester habe ich mich statt 90 Minuten mit allen Studierenden für jeweils zehn Minuten mit Zweier-Teams von Studierenden online getroffen, um über ihre Projekte zu sprechen. Dank Online-Meetings war das ganz unkompliziert und ohne Wartezeiten oder „Leerlauf“ für irgendwen möglich; die Studierenden mussten nicht extra zur Uni fahren, sondern konnten sich einfach zuhause kurz vor den Computer setzen. Im Gegensatz zur großen Gruppe hatten sie so aber die ungeteilte Aufmerksamkeit der Dozentin für ihre Anliegen und ihr Projekt, und auch ich als Dozentin konnte so wirklich alle Studierenden kennenlernen.
Auch die Nutzung von asynchronen Vorlesungsvideos finde ich sinnvoll und könnte sie mir auch gut nach Ende der Pandemie weiterhin vorstellen. Gerade in Grundlagenveranstaltungen geht es ja viel um Basisfakten und Lehrbuchwissen, das sich nicht von Semester zu Semester ändert. Wenn Studierende sich damit bereits vor einem Live-Treffen selbstständig auseinandergesetzt haben, kann man die Zeit vor Ort viel besser für Diskussion, Vertiefungen und praktische Beispiele nutzen, also quasi als Flipped-Classroom-Ansatz. Außerdem ermöglicht das asynchrone Zur-Verfügung-Stellen von Materialien eine größere Flexibilität für die Studierenden, sodass es einfacher wird, verschiedene Lebensumstände zu berücksichtigten.
für die Ukraine