1912 wurde die Keimzelle für den heutigen Universitätscampus gelegt - Mit der Straßenbahn und dann zu Fuß ging es zu einem damaligen "Tag der offenen Tür"
Als 1912 die Heilanstalt Strecknitz eröffnet wurde, war dies nicht nur, bis auf die Jahre des Nationalsozialismus, der Beginn eines neuen, besseren Kapitels für die Versorgung psychiatrischer Patientinnen und Patienten in Lübeck, sondern auch die Geburtsstunde des heutigen Universitätscampus. Der schöne Wasser- und Uhrenturm mit dem Hörsaal H 1 ist das Wahrzeichen der Universität, die Universitätsverwaltung ist im Haus 2, weitere Institute und Einrichtungen der Universität und des Klinikums sind in benachbarten Häusern untergebracht.
Die wöchentliche Unterhaltungsbeilage des Lübecker General-Anzeigers, "Von Lübeck's Türmen", berichtete am 5. Oktober 1912 vom damaligen "Tag der offenen Tür", als die Lübeckerinnen und Lübecker das neue Gelände zum ersten Mal besichtigen konnten. Der Autor Hans Arendt schilderte die Eindrücke in seinem Beitrag „Das neue Irrenkrankenhaus des lübeckischen Staates: Die Heilanstalt Strecknitz“:
„Wenn man an der Endstation der Linie Ratzeburger Allee den Straßenbahnwagen verlassen hat und auf der zu beiden Seiten von hohen, breitkronigen Bäumen eingefaßten Verlängerung des eben befahrenen Weges an heckenumgebenen Nutz- und Ziergärten vorbeigegangen und bei der Wegebiegung angelangt ist, an der die Ratzeburger Allee aufhört, so zu heißen, sieht man durch das Blätterwerk der Bäume hindurch die roten Dächer eines umfangreichen Häuserkomplexes hindurchleuchten, und die freundlich-grünen Fensterläden der vorn stehenden Häuser muten wie ein sinnig-friedlicher Gruß von trauter Stätte aus an.“
Aus heutigen Zeitungen ist man einen so poetischen Schreibstil nicht mehr gewöhnt. Was an dem damaligen Artikel aber immer noch berührt, sind die Sympathie und der Stolz, mit denen die Lübecker die Errichtung der neuen Anstalt begleiteten. Arendt schreibt:
„Der Häuserkomplex liegt auf einer leicht ansteigenden Anhöhe. Einfach in der Linienführung sind die einzelnen Häuser gebaut, aber doch sehen sie schmuck aus, und in den Zügen der meisten von ihnen glaubt man so etwas wie eine Mischung von vornehmem Empfinden und ernstem Wohlwollen zu lesen. (…) Aus der Mitte der Häusergemeinschaft heraus ragt mit elegantem Aufschwung ein Turm, dessen Uhr mit klarem Zifferblatt weithin sichtbar und mit klangvollem Glockenschlag weithin hörbar die Tagesstunde verkündet.“
Und am Ende des Artikels heißt es: „Die Sonne strahlte nur matt hernieder an jenem Septembersonntag. (…) Der Herbst diktierte die ersten Paragraphen aus dem Vergänglichkeitsgesetz. Da draußen bei Strecknitz aber leuchtete etwas wie neuer Frühling auf.“
Das kommt einem nach 100 Jahren geradezu prophetisch gesprochen vor. Denn tatsächlich ist es so, dass sich ein wesentlicher Teil von Lübecks Zukunftschancen genau auf diesem Areal eröffnet hat. Hier wurde 1964 die Medizinische Akademie Lübeck gegründet, die erste Hochschuleinrichtung der Stadt, deren 50-jähriges Bestehen wir 2014 feiern.
Hier, in unmittelbarer Nachbarschaft der wachsenden Hochschulen, wurde der neue Hochschulstadtteil gebaut, Lübecks prosperierendster Stadtteil. Hier siedeln sich wichtige Forschungseinrichtungen an. Und mit der Schaffung des BioMedTec Wissenschaftscampus Lübeck zu Beginn dieses Jahres wurde der Stärkung des Standorts für die Biomedizintechnik nochmals ein deutlicher Schub verschafft.
All das geht auf eine jetzt schon mehr als 100 Jahre alte Keimzelle zurück. Für das spürbare Wir-Gefühl aller, die hier forschen, lehren, studieren und arbeiten, ist das denkmalgeschützte Gebäudeensemble im alten Kernbereich des Campus tägliche Motivation und geschichtliche Verpflichtung.
für die Ukraine